OLG Köln: Ein Werk auf der Außenseite eines Kreuzfahrtschiffs darf durch Fotografieren weiter verbreitet werden

veröffentlicht am 26. Oktober 2016

OLG Köln, Urteil vom 23.10.2015, Az. 6 U 34/15
§ 59 UrhG

Das Urteil des OLG Köln haben wir hier zusammengefasst (OLG Köln – AIDA Kussmund) und im Folgenden im Volltext wiedergegeben.


Wurde ein von Ihnen geschaffenes Werk unrechtmäßig verbreitet?

Oder wird Ihnen ein entsprechender Vorwurf gemacht und Sie haben eine Abmahnung oder eine einstweiligen Verfügung / Hauptsacheklage erhalten? Rufen Sie uns gleich an: 04321 / 390 550 oder 040 / 35716-904. Schicken Sie uns Ihre Unterlagen gern per E-Mail (info@damm-legal.de) oder per Fax (Kontakt). Die Prüfung der Unterlagen und unsere Ersteinschätzung ist für Sie kostenlos. Unsere Fachanwälte sind durch zahlreiche urheberrechtliche Verfahren (Gegnerliste) mit dem Urheberrecht bestens vertraut und helfen Ihnen umgehend, eine Lösung zu finden.


Oberlandesgericht Köln

Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. März 2015 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O 554/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.
 
Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I.
Die Klägerin ist Veranstalterin von Kreuzfahrten. Alle Kreuzfahrtschiffe der Klägerin sind mit dem so genannten „B L“ dekoriert. Das Motiv besteht aus einem am Bug der Schiffe angebrachten Mund, seitlich an den Bordwänden angebrachten Augen und von diesen ausgehenden Wellenlinien („Augenbrauen“; zur Gestaltung vgl. Anlage K 3, Bl. 14 f. d. A.) Das Motiv wurde von dem bildenden Künstler C2 zur Verwendung auf den Schiffen geschaffen. Dieser räumte der Klägerin mit Lizenzvertrag vom 20. 12. 2007 das inhaltlich, zeitlich und örtlich uneingeschränkte, ausschließliche Recht ein, die Bemalung an den Bordwänden zu erhalten, zu restaurieren, zu entfernen und erneut, unverändert auf die jeweilige Bordwand zu reproduzieren und die Entwürfe und Reinzeichnungen beliebig zu vervielfältigen.

Der Beklagte betrieb die Internetseite www.kreuzfahrtausfluege.com, auf der unter anderem Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten angeboten wurden. Auf dieser Seite veröffentlichte er ein Foto der Seitenansicht des Schiffes „BC“ der Klägerin, auf dem der „B L“ teilweise zu sehen ist (Anlage K 1, Bl. 11 d. A.) Auf der Seite befanden sich keine Information zum Diensteanbieter, wie die Anschrift, das Registergericht und die Registernummer sowie die Umsatzidentifikationsnummer.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Verwendung des Fotos auf der Seite des Beklagten stelle eine Verletzung ihrer Rechte an dem „B L“ dar. Die Nutzung des Fotos sei nicht aufgrund der Schrankenregelung des § 59 UrhG zulässig, da sich das Kunstwerk nicht an öffentlichen Straßen oder Plätzen befinde. Jedenfalls trage der Beklagte hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

Die Klägerin hat beantragt,

1. dem Beklagten aufzugeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, das Werk „B L“ des Künstlers C2, wie in Anlage K 1 ersichtlich, öffentlich zugänglich zu machen bzw. öffentlich zugänglich machen zu lassen;

2. dem Beklagten aufzugeben, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet unter der Domain „kreuzfahrtausfluege.com“ Reisedienstleistungen anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne sicherzustellen, dass die Pflichtangaben für Diensteanbieter, namentlich

a) den Namen und die Anschrift, unter der der Diensteanbieter niedergelassen ist, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform,

b) das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das der Diensteanbieter eingetragen ist, und die entsprechende Registernummer, und

c) die Umsatzsteueridentifikationsnummer

leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar ständig verfügbar auf der Website gehalten werden;

3. es dem Beklagten aufzugeben, Auskunft darüber zu erteilen,

a) seit wann und in welchem Umfang er das Werk in Anlage K 1 zugänglich gemacht hat,

b) welche Umsätze unter den unter Ziffer 1 genannten Verstoß getätigt wurden und zwar aufgeschlüsselt nach Kunden, Euro Werten und Kalendermonaten,

c) welche Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren im Rahmen des Verstoßes angefallen sind,

d) welchen Gewinn er mit dem Verstoß erzielt hat;

4. der Klägerin über den Umfang des Verstoßes Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage von Verzeichnissen zur Auskunft gemäß Punkt 3. Dem Beklagten mag es vorbehalten bleiben die Rechnungslegung statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer zur Prüfung zu gestatten, sofern der Beklagte die durch die Einschaltung entstehenden Kosten trägt und den Wirtschaftsprüfer zugleich ermächtigt, der Klägerin unter Anonymisierung der Kundendaten, die Ergebnisse der Prüfung mitzuteilen;

5. festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat, der durch die Ziffer 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Nachdem der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, hat das Landgericht ihn durch Teilversäumnis- und Schlussurteil gemäß dem Klageantrag zu 2) verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das öffentlich Zugänglichmachen des „B Les“ sei gemäß § 59 UrhG zulässig. Bereits auf dem als Anlage K 1 vorgelegten Foto sei erkennbar, dass die Aufnahme von einem öffentlichen Platz, nämlich einem Hafen, aus gefertigt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel weiter, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen, dass die Vorschrift des § 59 UrhG im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, ob das Foto tatsächlich von einem öffentlich zugänglichen Ort oder beispielsweise von einem privaten Hafen aus aufgenommen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils

1. dem Beklagten aufzugeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, das Werk „B L“ des Künstlers C2 öffentlich zugänglich zu machen bzw. öffentlich zugänglich machen zu lassen, wie in der nachfolgend eingeblendeten Anlage K 1 ersichtlich:

[Abb.]

2. es dem Beklagten aufzugeben, Auskunft darüber zu erteilen,

a) seit wann und in welchem Umfang er das Werk in Anlage K 1 zugänglich gemacht hat,

b) welche Umsätze unter den unter Ziffer 1 genannten Verstoß getätigt wurden und zwar aufgeschlüsselt nach Kunden, Euro Werten und Kalendermonaten,

c) welche Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren im Rahmen des Verstoßes angefallen sind,

d) welchen Gewinn er mit dem Verstoß erzielt hat;

3. der Klägerin über den Umfang des Verstoßes Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage von Verzeichnissen zur Auskunft gemäß Punkt 3. Dem Beklagten mag es vorbehalten bleiben die Rechnungslegung statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer zur Prüfung zu gestatten, sofern der Beklagte die durch die Einschaltung entstehenden Kosten trägt und den Wirtschaftsprüfer zugleich ermächtigt, der Klägerin unter Anonymisierung der Kundendaten, die Ergebnisse der Prüfung mitzuteilen;

4. festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat, der durch die Ziffer 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere ist er der Ansicht, das Landgericht sei zutreffend von der Anwendbarkeit des § 59 UrhG ausgegangen. Er behauptet, er habe das streitgegenständliche Foto selber im Hafen von Funchal/Madeira angefertigt. Dieser Hafen sei frei zugänglich, was er vorsorglich unter Beweis durch richterliche Inaugenscheinnahme stellt.

II.
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1.
Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Das Landgericht hat zwar in der mündlichen Verhandlung erörtert, dass der „L“ auf der Anlage K 1 nicht erkennbar sei. Nachdem aber klargestellt worden ist, dass auch die geschlängelten „Augenbrauen“ zu dem Werk gehören, wird durch die Einblendung der Anlage K 1 in den Antrag der Umfang eines etwaigen Verbots hinreichend konkretisiert.

2.
Das Landgericht hat zwar keine ausdrücklichen Feststellungen zur Schutzfähigkeit des „Les“ getroffen, ist aber ersichtlich von dessen Schutzfähigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ausgegangen. Jedenfalls, nachdem der Bundesgerichtshof die Anforderungen an eine besondere Gestaltungshöhe bei Werken der angewandten Kunst aufgegeben hat (BGHZ 199, 52 = GRUR 2014, 175 – Geburtstagszug), weist die als „L“ bezeichnete Gestaltung – Mund, Augen und Augenbrauen – hinreichende schöpferische Eigenart auf (vgl. schon Senat, Urt. v. 9. 3. 2012 – 6 U 62/11 – juris Tz. 16 zur Darstellung eines „Les“).

3.
Indem der Beklagte das als Anlage K 1 vorgelegte Foto auf seiner Internetseite eingestellt hat, hat er das zu Gunsten der Klägerin geschützte Werk vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht. Zwar ist das Werk auf dem Foto nur teilweise zu sehen, da nur eine Seite des Schiffes abgebildet ist. Aber auch dieser abgebildete Teil des Gesamtwerks weist sämtliche eigenschöpferischen Züge des Gesamtwerks auf, das auf der anderen Bordwand lediglich symmetrisch reproduziert wird. Auch durch das öffentlich Zugänglichmachen dieses Teils des Werks wird daher grundsätzlich in das der Klägerin zustehende Recht an dem Werk eingegriffen.

Unerheblich ist ferner, dass der „L“ nur in schlechter Qualität reproduziert worden ist. Auch dies stellt einen Eingriff in das der Klägerin zustehende Recht dar (vgl. Senat, MMR 2014, 68, 69 – Life of Pi).

4.
Das Landgericht ist aber rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Vervielfältigung und das öffentlich Zugänglichmachen des „B Ls“ gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG gerechtfertigt sind.

a)
Soweit die Klägerin beanstandet, die Anwendung des § 59 UrhG sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich der Beklagte nicht auf diese Vorschrift berufen habe, bedarf die Berechtigung dieses Einwands keiner Prüfung mehr, nachdem der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht nur das Urteil des Landgerichts verteidigt, sondern sich auch in der Berufungserwiderung ausdrücklich auf die Vorschrift berufen hat. § 531 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Selbst wenn § 59 UrhG nur im Wege der Einrede geltend gemacht werden könnte, steht § 531 Abs. 2 ZPO der erstmaligen Erhebung einer Einrede in der Berufungsinstanz grundsätzlich nicht entgegen, sofern die zugrundeliegenden Tatsachen unstreitig sind (BGH, NJW 2008, 3434).

b)
Nach § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG dürfen Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, durch Lichtbilder vervielfältigt und öffentlich wiedergegeben werden. Die Vorschrift findet ihre Rechtfertigung in der an die Allgemeinheit gerichteten Widmung dieser Werke, die es mit sich bringt, dass diese von jedermann betrachtet werden können, streng genommen sogar betrachtet werden müssen. Es besteht ein allgemeines Interesse an der Freiheit des Straßenbildes, das darauf gerichtet ist, dass öffentliche Straßen und Plätze etwa auf Postkarten, auf einem Gemälde oder einem Stich, in einem Bildband oder in einem Film wiedergegeben werden können, ohne dass hierfür – falls sich dort urheberrechtlich geschützte Werke befinden – die Zustimmung der Berechtigten eingeholt werden muss (BGHZ 150, 6 = GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag; Grübler, in: Ahlberg/Götting, BeckOK Urheberrecht, Stand: 1. 7. 2015, § 59 Rn. 1). Wie bei jeder urheberrechtlichen Schrankenbestimmung ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass die dem Urheber zustehenden Ausschließlichkeitsrechte nicht übermäßig beschränkt werden dürfen. Mit einer engen Auslegung der Schrankenregelungen wird im Allgemeinen dem Grundsatz Rechnung getragen, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist. Auf der anderen Seite muss die Auslegung das vom Gesetz mit der Schrankenbestimmung verfolgte Ziel beachten (BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 – Hundertwasser-Haus). Es ist daher nicht ausgeschlossen, im Hinblick auf das Gewicht der vom Gesetzgeber durch die Schrankenziehung für schützenswert erachteten Interessen bei der Auslegung einen großzügigen Maßstab anzulegen (Vogel, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010, § 59 Rn. 4).

c)
Nach § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG muss sich das Werk „bleibend“ im öffentlichen Raum befinden. Damit sollen jedoch nur Werke, die sich lediglich vorübergehend im öffentlichen Raum befinden, von der Schrankenregelung ausgenommen werden. Das allgemeine Interesse an der Freiheit des öffentlichen Raums erfordert es nicht, dass die Rechte des Urhebers an einem Kunstwerk, das sich nur vorübergehend im öffentlichen Raum befindet, eingeschränkt werden (BGHZ 150, 6 = GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag). „Bleibend“ ist daher nicht dahingehend zu verstehen, dass die Vorschrift lediglich auf ortsfeste Werke Anwendung finden kann. Gerade das Interesse der Allgemeinheit an der Freihaltung des öffentlichen Raumes gebietet es, auch Werke an Fahrzeugen, die bestimmungsgemäß jedenfalls überwiegend im öffentlichen Raum eingesetzt werden, wie dies beispielsweise bei Omnibussen oder Straßenbahnen der Fall ist, in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen zu lassen. Fahrzeuge wie Straßenbahnen, Busse oder auch Lastkraftwagen werden zunehmend als grafisch aufwändig gestaltete Werbeträger eingesetzt. Jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil dieser Gestaltungen dürfte als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich schutzfähig sein. Die Freiheit der Wiedergabe des öffentlichen Raumes würde empfindlich eingeschränkt, wenn allein die zufällige Anwesenheit eines solchen Fahrzeugs bereits urheberrechtliche Ansprüche auslösen würde. Ein Künstler, der Werke für diesen Einsatzzweck schafft, muss von vorneherein damit rechnen, dass seine Werke von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden, ohne dass er diese Wahrnehmbarkeit steuern kann. Die Vorschrift des § 59 UrhG ist daher auch auf mit Fahrzeugen verbundene Werke anwendbar, die bestimmungsgemäß im öffentlichen Raum eingesetzt werden (Ernst, ZUM 1998, 475, 480; Lüft, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 59 Rn. 5; Vogel, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010, § 59 Rn. 4; a. A. Gass, in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl. 2000, § 59 Rn. 17). Auch in diesem Fall verbleibt das Werk dauerhaft im öffentlichen Raum, nur eben nicht immer an der gleichen Stelle.

Der Umstand, dass sich das Schiff möglicherweise zeitweise auch an nicht öffentlich zugänglichen Orten – etwa in einer Werft – befindet, steht dem nicht entgegen. Auch ein öffentlicher Raum verliert nicht seinen Charakter als öffentlicher Raum, wenn er zeitweilig (etwa nachts) unzugänglich ist (RGSt 40, 122, 126; Ernst, ZUM 1998, 475, 480; Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 59 Rn. 3).

d)
§ 59 UrhG erfasst Werke an „Wegen, Straßen oder Plätzen“. Die Formulierung der Vorschrift ist ersichtlich in erster Linie auf Werke zugeschnitten, die sich auf dem Festland befinden. Der Zweck der Vorschrift, die Freihaltung des öffentlichen Raums, erfordert es jedoch, sie auch auf Werke anzuwenden, die sich – wie im vorliegenden Fall – auf öffentlichen Wasserstraßen befinden. Auch Küstenmeere und Wasserstraßen dienen der Allgemeinheit und sind allgemein zugänglich (vgl. Art. 17 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, BGBl. II vom 13. 9. 1994, S. 1799, und § 5 S. 1 WaStrG für Bundeswasserstraßen).

Im vorliegenden Fall ist das Werk „B L“ dauerhaft für ein Seeschiff geschaffen worden, das bestimmungsgemäß dazu dient, auf hoher See, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt zu werden. Das zu seiner Verzierung geschaffene Werk war daher von vornherein dazu bestimmt, im öffentlichen Raum wahrgenommen zu werden.

e)
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es unerheblich, ob sich der Fotograf bei der Aufnahme des streitgegenständlichen Bildes an einer öffentlich zugänglichen Stelle befunden hat. Zutreffend ist zwar, dass § 59 UrhG nur Aufnahmen und Darstellungen des geschützten Werkes privilegiert, die den Blick aus dem öffentlichen Raum wiedergeben. Die Schrankenbestimmung soll es dem Publikum ermöglichen, das, was es von der Straße aus mit eigenen Augen sehen kann, als Gemälde, Zeichnung, Fotografie oder im Film zu betrachten. Von diesem Zweck der gesetzlichen Regelung ist es nicht mehr gedeckt, wenn – etwa mit dem Mittel der Fotografie – der Blick von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus fixiert werden soll. Ist ein Bauwerk für die Allgemeinheit lediglich aus einer bestimmten Perspektive zu sehen, besteht nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung keine Notwendigkeit, eine Darstellung oder Aufnahme vom urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrecht auszunehmen, die eine ganz andere Perspektive wählt (BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 – Hundertwasser-Haus).

Aus dieser Begründung folgt, dass nicht der konkrete Standort des Fotografen maßgeblich ist, sondern die Perspektive, aus der das betreffende Werk auf der Darstellung wahrnehmbar ist. Entspricht diese grundsätzlich einer solchen, die für die Allgemeinheit zugänglich ist, kommt es auf den konkreten Standort des Fotografen nicht mehr an.

Auf dem streitgegenständlichen Bild wird das zu Gunsten der Klägerin geschützte Werk nicht in einer Perspektive gezeigt, die ausschließlich von einem der Allgemeinheit unzugänglichen Ort aus wahrnehmbar wäre. Eine Aufnahme des geschützten Werkes wie die streitgegenständliche kann von jedem beliebigen Ort aus, sowohl von einem öffentlich zugänglichen Ufer wie auch von einem anderen Wasserfahrzeug auf einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Wasserstraße, erstellt werden. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass sich das Schiff zum Zeitpunkt der Aufnahme in einem Gewässer befunden hat, das der Allgemeinheit nicht zugänglich gewesen wäre. Es liegt offensichtlich in einem Hafen, der auch für andere Wasserfahrzeuge zugänglich ist, wie die im Vordergrund abgebildeten Boote belegen. Daher ist auch der erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte – streitige und von der Klägerin als verspätet gerügte – Vortrag des Beklagten, das Foto sei im Hafen von Funchal/Madeira entstanden, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich.

5.
Damit sind auch die von der Klägerin geltend gemachten Annexansprüche unbegründet.

6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die höchstrichterlich nicht geklärten und in der Literatur umstrittenen Fragen der Anwendbarkeit des § 59 UrhG auf mit Fahrzeugen verbundenen Werken zugelassen.

Vorinstanz:
LG Köln, Az. 28 O 554/12