LG Heidelberg: Das Hochladen fremder Lichtbilder in die eigene Internet-Cloud ist keine Urheberrechtsverletzung

veröffentlicht am 24. Februar 2016

LG Heidelberg, Urteil vom 02.12.2015, Az. 1 O 54/15
§ 97 Abs. 1 UrhG; § 22 KUG

Eine Kurzbesprechung dieser Entscheidung finden Sie hier, den Volltext haben wir nachfolgend wiedergegeben:

Landgericht Heidelberg

Urteil

1.
Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche.

Die Klägerin verkaufte dem Beklagten am 13.07.2014 über die Internetplattform Ebay eine Festplatte. Auf der Festplatte befanden sich mehrere hundert Fotografien der Klägerin, insbesondere Urlaubsfotos und sonstige private Bilder. Nach Erhalt der Festplatte meldete der Beklagte einen Defekt der Festplatte über die Bezahlplattform Paypal und bat die Klägerin um Übersendung der Garantiebelege der Festplatte oder um Rückabwicklung des Kaufs. Die Klägerin reagierte nicht. Der Beklagte ließ sodann ein Gutachten über den Defekt der Festplatte erstellen. Am 04.08.2014 forderte Paypal den Beklagten zur Rücksendung der Festplatte an die Klägerin auf. Dies war dem Beklagten mangels Rücksendeadresse der Klägerin nicht möglich, woraufhin Paypal den Fall schloss.

Mit Email vom 08.09.2014 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er einhundert Fotos der Klägerin im Internet veröffentlichen werden, wenn sie sich nicht bei ihm melde, um die Fehlerbehebung bzw. Rückabwicklung der Festplatte durchzuführen. Die Klägerin bat am 09.09.2014 um Rücksendung der Festplatte und teilte ihre Anschrift mit. Mit Email vom 11.09.2014 forderte der Beklagte die Klägerin auf zu bestätigen, dass sie nach Erhalt der Festplatte den Kaufpreis sowie die Gutachterkosten erstatten werde. Andernfalls werde er noch am gleichen Abend private Fotos der Klägerin im Internet veröffentlichen. Sodann erklärte sich die Klägerin zur Kostenerstattung bereit und der Beklagte versandte die Festplatte an die Klägerin. Die Festplatte ging der Klägerin spätestens am 01.10.2014 zu. Mit Schreiben vom 15.10.2014 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Am 21.10.2014 teilte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass mehrere hundert Dateien von der defekten Festplatte in seine Internet-Cloud gespiegelt worden seien. Am 27.10.2014 erhielt der Beklagten von der Klägerin Kaufpreis und Gutachterkosten zurück.

Die Klägerin behauptet, sie habe vor dem Versand der Festplatte an den Beklagten sämtliche Daten von der Festplatte gelöscht. Der Beklagte müsse diese nach Erhalt der Festplatte wieder hergestellt haben. Sie habe zunächst nicht reagiert, da sie nach dem Versand der Festplatte in Urlaub gefahren sei.

Die Klägerin ist der Auffassung, es liege eine Urheberrechtsverletzung vor. Es sei davon auszugehen, dass die Fotos öffentlich zugänglich gewesen seien. Jedenfalls habe der Beklagte eine entsprechende Urheberrechtsverletzung angekündigt. Auch das Hochladen von Fotos in die Cloud stelle eine Rechtsverletzung dar, die Daten seien jedenfalls dem entsprechenden Anbieter der Internet-Cloud zugänglich gemacht und damit an Dritte weitergegeben worden.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Lichtbilder der Klägerin, welche auf der am 13.07.2014 an den Beklagten verkauften Festplatte Marke O. gespeichert sind, öffentlich zugänglich zu machen und / oder öffentlich zugänglich machen zu lassen,

hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Lichtbilder der Klägerin, welche auf der am 13.07.2014 an den Beklagten verkauften Festplatte Marke O. gespeichert sind, Dritten zu überlassen,

2. den Beklagten zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1029,35 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert, die Festplatte sei defekt gewesen, als er sie erhalten habe. Sie habe weder beschrieben werden können, noch sei es möglich gewesen, auf ihr befindliche Daten zu löschen. Da die Klägerin auf seine Paypal-Meldungen nicht reagiert habe, habe er befürchtet, nicht von einer real existierenden Person gekauft zu haben, sondern einem Betrug zum Opfer gefallen zu sein. Als er am 08.09.2014 seine Cloud durchsucht habe, habe er Dateien der Klägerin entdeckt, die automatisch von seinem Explorer dort gespeichert worden waren. Die Email vom 08.09.2014 habe er versandt, um die Klägerin aus der Reserve zu locken. Er habe zu keinem Zeitpunkt Fotos der Klägerin auf eine für Dritte zugängliche Weise ins Internet gestellt. Nach der Einigung über die Rückabwicklung des Kaufvertrags habe die Klägerin die Festplatte zunächst nicht in Empfang genommen. Schließlich habe sie behauptet, die Festplatte sei unsachgemäß verschickt worden und daher jetzt defekt.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass er keine Urheberrechtsverletzung begangen habe, da die Klägerin ihm die Festplatte samt Inhalt verkauft hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
Die Klage hat keinen Erfolg.

1.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg gegeben. Sie ergibt sich jedenfalls aus § 39 ZPO, nachdem der Beklagte sich im Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO schriftlich zur Sache eingelassen hat, ohne die Zuständigkeit des Gerichts zu rügen. § 40 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. §§ 40 Abs. 2 Nr. 2, 104 a Abs. 1 Satz 1 UrhG steht dem nicht entgegen, da der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Die örtliche Zuständigkeit für Klagen wegen der behaupteten Urheberrechtsverletzung bestimmt sich daher gem. § 104 a Abs. 1 Satz 2 UrhG i.V.m. § 32 ZPO, der durch rügelose Einlassung abbedungen werden kann.

2.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
 
a)
Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch, Lichtbilder nicht öffentlich zugänglich zu machen, steht der Klägerin nicht zu.

Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 22 KunstUrhG.

aa)
Zwar stellt das Einstellen von Fotos der Klägerin ins Internet eine öffentliche Zurschaustellung gem. § 22 Satz 1, 2. Alt. KunstUrhG dar, die nur mit Einwilligung der Klägerin zulässig wäre. Auch fehlt es an einer solchen Einwilligung. Sie kann insbesondere nicht in dem Verkauf der Festplatte gesehen werden. Mit dem Verkauf eines Datenträgers erteilt der Verkäufer dem Käufer nicht automatisch die Erlaubnis, die darauf befindlichen Daten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – Gegenstand des Kaufvertrags die Hardware, nämlich die Festplatte, und nicht die darauf befindlichen Dateien sind.

Allerdings hat die Klägerin weder dargelegt noch bewiesen, dass ein Einstellen der Fotos ins Internet tatsächlich erfolgt ist. Der Beklagte hat dies in seinen Emails vom 08.09.2014 und 11.09.2014 lediglich angekündigt, so dass der Klägerin allenfalls ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zustehen könnte (§ 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht dann, wenn vom Kläger darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende tatsächliche Umstände die ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung der Verletzungshandlung begründen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auflage, 2015, § 8 UWG Rn. 1.17). Solche Umstände können sich insbesondere aus dem Verhalten des Schuldners ergeben. Wer sich etwa berühmt, zu einer bestimmten Handlung berechtigt zu sein, kann dadurch den Eindruck erwecken, auch entsprechend zu handeln, so dass dann Erstbegehungsgefahr besteht (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rn. 1.18 m.w.N.). Etwas anderes gilt aber dann, wenn der sich Berühmende klarstellt, die entsprechende Rechtsauffassung nur zur Wahrung und Verteidigung seiner Rechte vertreten zu haben, nicht aber, weil er sein Verhalten in die Praxis umsetzen bzw. sich in Zukunft auch so verhalten will (BGH GRUR 2001, 1174, 1175; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rn. 1.20). Hier lässt das Verhalten des Beklagten keine Erstbegehungsgefahr befürchten. Der Beklagte hat bereits mit Schreiben an die Prozessbevollmächtigten vom 21.10.2014 eingeräumt, dass er zu dem von ihm angekündigten Verhalten nicht befugt war, er diese Methode aber gewählt habe, um die Klägerin zur Vertragserfüllung zu bewegen. Auch im Prozess lässt der Beklagte vortragen, dass es ihm lediglich darum gegangen war, die Klägerin zu einer Reaktion zu bewegen, um den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Zwischenzeitlich hat die Klägerin die Festplatte zurückerhalten, dem Beklagten wurden Kaufpreis und Gutachterkosten erstattet. Der von dem Beklagten geschilderte Anlass, aus dem er die Fotos veröffentlichen wollte, ist daher weggefallen. Es liegen keine tatsächlichen Umstände vor, die den Schluss nahelegen, dass der Beklagte – nach vollständiger Rückabwicklung des Kaufvertrags – die Fotos der Klägerin jetzt noch im Internet veröffentlichen wird. Allein die Tatsache, dass der Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, genügt hierfür nicht. Hierdurch bringt der Beklagte lediglich seine Auffassung zum Ausdruck, dass er keine Rechtsverletzung begangen habe, berühmt sich jedoch nicht, die streitige Handlung in Zukunft begehen zu wollen.

bb)
Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht auch nicht, soweit sie rügt, der Beklagte habe Fotos von ihr in seine Internet-Cloud hochgeladen.

Zwar hat der Beklagte dieses Verhalten zugegeben, so dass die Klägerin hier einen Verletzungsunterlassungsanspruch gelten machen könnte, bei dem die Wiederholungsgefahr grundsätzlich vermutet wird. Es fehlt jedoch an einer Rechtsverletzung durch den Beklagten.

Das Hochladen von Bildern in eine Cloud stellt keine öffentliche Zurschaustellung der Bilder im Sinne des § 22 Abs. 1, 2. Alt. KunstUrhG dar. Beim sogenannten Cloud Computing wird dem Nutzer von Plattformbetreiber virtueller Speicherplatz zur Verfügung gestellt, wobei der Plattformbetreiber nicht selbst Eigentümer der physischen Server sein muss, sondern in der Regel die Serverkapazität nur angemietet hat. Der Nutzer kann dann von seinen Geräten auf diesen virtuellen Speicherplatz zugreifen, ohne selbst eigene physische Speichermedien vorhalten zu müssen. Zugriffsberechtigt ist grundsätzlich nur der Nutzer bezüglich des ihm zugewiesenen Speichers. Damit verstößt das Hochladen von Bildern in eine Cloud nicht gegen § 22 Satz 1, 2. Alt. KunstUrhG. Es fehlt an einer Öffentlichkeit, der das in die Cloud eingestellte Bild angeboten wird.

b)
Auch der hilfsweise geltend gemachte Unterlassungsanspruch, Lichtbilder nicht an Dritte zu überlassen, steht der Klägerin nicht zu.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 22 Satz 1, 1. Alt. KunstUrhG. Es fehlt an einer Rechtsverletzung durch den Beklagten. Das – automatische – Hochladen von Fotos in eine Internet-Cloud stellt keine rechtswidrige Verbreitung von Bildnissen gem. § 22 Satz 1, 1. Alt. KunstUrhG dar.

Verbreitung im Sinne des § 22 Satz 1, 1. Alt. KunstUrhG meint jede Form der körperlichen Weitergabe des Bildes oder eines Vervielfältigungsstücks, wobei auch die Weitergabe digitaler Kopien von Bildnissen selbst erfasst wird (Engels in BeckOK KunstUrhG, § 22 Rn. 51, 53). Sinn und Zweck ist es, den Rechteinhaber vor dem Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kenntnisnahme zu schützen; das Bild oder seine Kopie muss daher zumindest einer weiteren Person zur Verfügung gestellt werden. Daran fehlt es hier. Die Bilder der Klägerin wurden lediglich in die Cloud des Beklagten kopiert. Dass außer dem Beklagten noch andere Personen Zugriff auf die Cloud haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Betreiber der Cloud Zugriff auf die von den Nutzern gespeicherten Inhalte hat. Selbst wenn ein solcher Zugriff durch den Cloud-Betreiber technisch möglich wäre, läge eine Rechtsverletzung des Beklagten nur vor, wenn ihm dieser Zugriff zurechenbar wäre, also von ihm veranlasst oder gar gewollt war. Auch dafür liegen keine Anhaltspunkte vor, es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Beklagte entsprechend den Grundsätzen des Cloud Computing nur mit seiner eigenen Zugriffsberechtigung rechnete.

c)
Weitere Anspruchsgrundlagen, aus denen sich die von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche ergeben könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar kämen möglicherweise Ansprüche der Klägerin dahingehend in Betracht, dass der Beklagte die mit Emails vom 08.09.2014 und 11.09.2014 begangene Nötigung (§ 240 StGB) zu unterlassen habe. Dies hat die Klägerin jedoch nicht beantragt.

d)
Mangels Hauptanspruch kann die Klägerin von dem Beklagten auch nicht die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.

Die Klage war daher abzuweisen.
 
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.