LG Düsseldorf: Zur urheberrechtswidrigen Übernahme einer kurzen Musikkomposition für eine andere Inszenierung

veröffentlicht am 10. September 2019

LG Düsseldorf, Urteil vom 12.06.2019, Az. 12 O 263/18
§ 97 Abs. 1, UrhG, § 97a UrhG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG, § 19 UrhG, § 19a UrhG

Die Zusammenfassung finden Sie hier (LG Düsseldorf: Zur urheberrechtswidrigen Übernahme einer kurzen Musikkomposition für eine andere Inszenierung); den  Volltext der Entscheidung finden Sie unten:


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Landgericht Düsseldorf

Urteil

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die vom Kläger für die Inszenierung des Stückes „Der Idiot“ im Jahre 2015 für das Staatsschauspiel E komponierte, arrangierte und produzierte Musik im Rahmen einer Übernahme dieser Inszenierung durch die Beklagte im E1 Schauspielhaus oder an anderen Spielstätten öffentlich aufzuführen oder aufführen zu lassen.

Der Beklagten werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, wie oft und wann sie ab der Spielzeit 2017/2018 die in Ziffer 1 genannte Inszenierung unter Verwendung der vom Kläger komponierten, arrangierten und produzierten Musik im E1 Schauspielhaus aufgeführt hat oder an anderen Spielstätten hat aufführen lassen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen darüber, in welchen audiovisuellen Medien (z.B. YouTube) sie die in Ziffer 1 genannte Inszenierung auszugsweise unter Einblendung der vom Kläger komponierten, arrangierten und produzierten Musik öffentlich zugänglich gemacht hat oder hat öffentlich zugänglich machen lassen.

Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 745,20 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2018 zu zahlen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 EUR.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf erster Stufe auf Unterlassung, Auskunft und Zahlung in Anspruch.

Der Kläger ist musikalischer Autor und Produzent für Bühnenmusiken. Die Beklagte betreibt das E1 Schauspielhaus.

Am 25.11.2015 schloss der Kläger mit dem Staatsschauspiel E einen Vertrag, in dem er sich verpflichtete die Komposition, das Arrangement und die musikalische Einrichtung für die Inszenierung des Bühnenstücks „Der Idiot“ nach dem Roman von Fjodor Dostojewski in der Regie von N zu übernehmen. Für seine Leistungen erhielt der Kläger vom Staatsschauspiel E ein Honorar in Höhe von 4.000,00 EUR.

Im Rahmen dieser Vereinbarung räumte der Kläger dem Staatsschauspiel E zeitlich und räumlich unbeschränkte Rechte ein, das von ihm geschaffene Werk zu nutzen. Eine Nutzungsüberlassung an Dritte wurde nicht vereinbart. Das Staatsschauspiel E verpflichtete sich, die musikalischen Werke bei der GEMA anzumelden und deren Vergütung zu übernehmen, was auch geschah.

Von November 2015 bis zur Premiere des Stückes in E am 16.01.2016 arbeitete der Kläger intensiv mit dem Regisseur und oftmals einem Videokünstler zusammen, um die Musik für das Bühnenstück zu erstellen. Er arrangierte die von ihm speziell für das Bühnenstück komponierte Musik, produzierte sie zur Verwendung in der Inszenierung und nahm sie mit seinem Studioequipment auf. Während der Proben war er regelmäßig anwesend, um die Musik an die szenische Umsetzung anzupassen.

In der Spielzeit 2016/2017 übernahm die Beklagte die E2 Inszenierung zur Aufführung im E1 Schauspielhaus. Der künstlerische Betriebsdirektor der Beklagten nahm mit dem Kläger Kontakt auf, um über den Erwerb der Aufführungsrechte an der vom Kläger komponierten, arrangierten und produzierten Musik zu verhandeln. Die Parteien einigten sich auf eine pauschale Vergütung in Höhe von 1.350,00 EUR, beschränkt auf die Übernahme für die Spielzeit 2016/2017, welche von der Beklagten auch gezahlt wurde.

Die Beklagte führte die streitgegenständliche Inszenierung unter Verwendung der Musik des Klägers auch in der Spielzeit 2017/2018 weiter auf. Der Kläger übersandte daraufhin eine Rechnung an die Beklagte zur Abgeltung seiner Rechte für die Spielzeit 2017/2018 zum für die vorherige Spielzeit vereinbarten Preis. Diese Rechnung wurde von der Beklagten nicht beglichen. Auf Nachfrage wurde ihm mittgeteilt, er möge die Rechnung noch einmal ausstellen, mit der allerdings zwei Spielzeiten (2017/2018 und 2018/2019) abgegolten werden sollten. Nachdem dem Kläger die Zahlung der Rechnung zugesagt wurde, verweigerte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Zahlung mit der Begründung, dass sie schon ordnungsgemäß an die GEMA abrechne. Auch nach wiederholtem Schriftverkehr zwischen der Klägerseite und der Beklagten erfolgte keine Zahlung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.07.2018 (Anlage K8) ließ der Kläger die Beklagte schließlich abmahnen und erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe seine Urheberrechte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG verletzt. Die streitgegenständliche Nutzung durch die Beklagte habe nicht über die GEMA lizenziert werden können, da es sich hierbei nicht um sein „kleines Recht“ (Vervielfältigungs- und Senderechte), sondern sein „großes Recht“ handele. Die Musik sei nicht nur bloße Hintergrundmusik, sondern integraler Bestandteil des Bühnenstücks. Des Weiteren ist er der Ansicht, dass die gegenständlichen Rechte auch deswegen nicht von der GEMA hätten lizenziert werden können, da sie dem Ausschluss des § 1 lit. a des GEMA-Berechtigungsvertrags unterfielen.

Der Kläger beantragt auf erster Stufe,

1. die Beklagte zu verurteilen, es für jeden Fall der Zuwiderhandlung bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an Ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, die vom Kläger für die Inszenierung des Stückes „Der Idiot“ im Jahre 2015 für das Staatsschauspiel E komponierte, arrangierte und produzierte Musik im Rahmen einer Übernahme dieser Inszenierung durch die Beklagte im E1 Schauspielhaus oder an anderen Spielstätten öffentlich aufzuführen oder aufführen zu lassen;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, wie oft und wann sie ab der Spielzeit 2017/2018 die in Ziffer 1 genannte Inszenierung unter Verwendung der vom Kläger komponierten, arrangierten und produzierten Musik im E1 Schauspielhaus aufgeführt hat oder an anderen Spielstätten hat aufführen zu lassen;

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen darüber, in welchen audiovisuellen Medien (z.B. YouTube) sie die in Ziffer 1 genannte Inszenierung auszugsweise unter Einblendung der vom Kläger komponierten, arrangierten und produzierten Musik öffentlich zugänglich gemacht hat oder hat öffentlich zugänglich machen lassen;

4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 745,20 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Juli 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe die Rechte für die streitgegenständliche Nutzung durch den GEMA-Berechtigungsvertrag auf die GEMA übertragen. Durch die Anmeldung und Zahlung gegenüber der GEMA habe die Beklagte diese Rechte ordnungsgemäß erworben und hinreichend abgegolten. Bei der Aufführung des Schauspiels sei in Bezug auf die Musik des Klägers nur das sogenannte kleine Recht betroffen. Es handele sich auch nicht um einen Fall der in § 1 lit. a des GEMA-Berechtigungsvertrags bezeichneten Ausnahme.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage wurde der Beklagten am 29.11.2018 zugestellt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im Umfang der auf dieser Stufe zur Entscheidung stehenden Anträge begründet.

Dem Kläger stehen ein Unterlassungsanspruch, Ansprüche auf Auskunft über Aufführungen ab der für die Spielzeit 2017/2018 und das öffentliche Zugänglichmachen der vom Kläger für die Inszenierung des Stückes „Der Idiot“ komponierten, arrangierten und produzierten Musik sowie ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten aus §§ 97 Abs. 1, 97a, 2 Abs. 1 Nr. 2, 19, 19a UrhG zu.

Durch die Nutzung der unstreitig vom Kläger geschaffenen Musik, bei der es sich um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des UrhG handelt, hat die Beklagte widerrechtlich das dem Kläger vorbehaltene Aufführungsrecht gemäß § 19 Abs. 2, 2. Alt. UrhG verletzt.

Bei der vom Kläger komponierten Musik handelt es sich – worüber die Parteien zu Recht nicht streiten – um ein Werk der Tonkunst. Dieses ist im Rahmen der von der Beklagten veranstalteten Aufführungen des Schauspiels „Der Idiot“ in der vom E3 Schauspielhaus übernommenen Inszenierung des Regisseurs N bühnenmäßig dargestellt worden.

Entscheidend für eine bühnenmäßige Aufführung ist grundsätzlich nicht der Charakter des Werkes, sondern die Art und Weise der Wiedergabe (v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, 5. Aufl. 2017, § 19 UrhG Rn. 31). Musik, die ein bewegtes Spiel begleitet, wird bühnenmäßig aufgeführt, wenn sie integrierender Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur zur bloßen Untermalung dient (BGH, Urt. v. 03.07.2008 – I ZR 204/05 –, GRUR 2008, 1081 – Musical Starlights; BGH, Urt. v. 18.03.1960 – I ZR 121/58 –, GRUR 1960, 604 – Eisrevue I). Die bühnenmäßige Aufführung ist gekennzeichnet durch bewegtes Spiel im Raum (v. Ungern-Sternberg, aaO., Rn. 34); trotz des Gesetzeswortlauts („darzustellen“) kann der Begriff „bühnenmäßige Aufführung“ dabei auch akustische Wiedergaben von Musikwerken, die mit dem bewegten Spiel für das Auge verbunden sind, umfassen (v. Ungern-Sternberg, aaO., Rn. 35).

Im vorliegenden Fall wurde die Musik in Abstimmung mit dem Regisseur des Bühnenstücks gestaltet und genau auf einzelne Szenen zugeschnitten. Die im Einverständnis mit den Parteien außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgte Inaugenscheinnahme des von der Beklagten vorgelegten Mitschnitts der Inszenierung hat der Kammer trotz der nur sehr durchschnittlichen Audioqualität die Überzeugung vermittelt, dass die Musik des Klägers integrierender Bestandteil des Spielgeschehens geworden ist. In der Betrachtung mit der szenischen Darbietung des Schauspiels wird deutlich, dass sie in besonderer Weise an diese angepasst ist und einzelne Handlungsteile betont, sei es, dass sie zu diesen kontrastiert und abrupt, aber punktgenau auf den Beginn einer Textstelle endet, sei es, dass sie die Atmosphäre einzelner Szenen unterstützt und Stimmungen, die durch die Darbietung der Schauspieler vermittelt werden, widerspiegelt. Dabei verbinden sich die Dramaturgie des gesprochenen Wortes und die Musik zu einer Einheit. Die im Sprachwerk angelegten und im Schauspiel dargebotenen persönlichen und sozialen Spannungen und Widersprüche der handelnden Personen werden durch die Musik des Klägers versinnbildlicht, wobei in besonderer Weise die Krankheit des Protagonisten vermittelt wird.

Dass eine Wiedergabe vom Band erfolgt und keine Musiker und/oder ein Orchester auf der Bühne musizieren oder anderweitig an der szenischen Darstellung mitwirken, führt ebenso wenig zur Verneinung der Integralität des Musikwerks in Bezug auf das Schauspiel wie der Umstand, dass ein Großteil der Handlung des Bühnenstücks musikalisch überhaupt nicht begleitet wird und die streitgegenständliche Musik insgesamt lediglich etwa 30 Minuten von 2:50 Stunden Gesamtspieldauer umfasst.

Auch im Hinblick auf das Musikstück „Rosas Lied“ ergibt sich keine andere Bewertung. Es bedarf keiner weiteren Aufklärung, ob das Lied selbst ebenfalls eine Schöpfung des Klägers ist, was die Beklagte bestreitet; er ist jedenfalls Urheber der weiteren, während der Darbietung von „Rosas Lied“ gespielten Musik.

Der Erwerb von Nutzungsrechten bei der GEMA durch die Beklagte führt nicht zur Rechtmäßigkeit der Nutzung. Der Kläger hat durch den Berechtigungsvertrag mit der GEMA ihr das Recht zur Wahrnehmung gemäß § 1 lit. a des GEMA-Berechtigungsvertrages übertragen. Aufgrund des Ausschlusses in § 1 lit. a Satz 2 werden die streitgegenständlichen Rechte nicht von der GEMA wahrgenommen. Der Begriff der bühnenmäßigen Aufführung in § 1 lit. a des Berechtigungsvertrages hat denselben Inhalt wie der Begriff der bühnenmäßigen Darstellung in § 19 Abs. 2 UrhG (BGH, aaO. – Musical Starlights; BGH, Urt. v. 14.10.1999 – I ZR 117/97 –, GRUR 2000, 228 – Musical-Gala). Wie bereits dargelegt, handelt es sich hier um eine bühnenmäßige Darstellung des vom Kläger geschaffenen Musikwerks.

Da dem Kläger die zur Vorbereitung seines Anspruchs auf Schadenersatz erforderlichen Angaben über die Nutzung durch die Beklagte ohne sein Verschulden unbekannt sind, während es der Beklagten unschwer möglich ist, diese mitzuteilen, schuldet die Beklagte ihm gemäß §§ 242, 259, 260 BGB Auskunft über Umfang und Zeitraum der Nutzung (Häufigkeit und Daten) der Musik des Klägers in den Aufführungen des Schauspiels „Der Idiot“.

Entsprechendes gilt für die Nutzung in audiovisuellen Medien.

Ferner steht dem Kläger gemäß § 97a UrhG ein Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu. Dieser ist auf der Grundlage eines vom Kläger angemessen zugrunde gelegten Gegenstandswerts von 10.000,00 EUR in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG gerechtfertigt, zuzüglich Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG ergibt sich die nachfolgende Berechnung.

Gegenstandswert: 10.000,00 EUR
1,3 Geschäftsgebühr VV 2300 725,40 EUR
Pauschale VV 7002 20,00 EUR
Gesamtbetrag 745,40 EUR

Der Zinsanspruch hat seine gesetzliche Grundlage in § 291 BGB. Für einen früheren Beginn der Verzinsung hat der Kläger nichts dargelegt; insoweit unterliegt die Klage der teilweisen Abweisung.

Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre gesetzliche Grundlage in § 890 ZPO im Umfang der Beantragung seitens des Klägers.

Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.