LG Bielefeld: Kein Urheberrechtsschutz für einen Twitter-Beitrag

veröffentlicht am 6. Oktober 2017

LG Bielefeld, Beschluss vom 03.01.2017, Az. 4 O 144/16
§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG

Den Beschluss des LG Bielefeld haben wir hier zusammengefasst (LG Bielefeld – Tweet nicht urheberrechtlich geschützt), den Volltext finden Sie nachstehend:


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Landgericht Bielefeld

Beschluss

Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 28.04.2016 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der er Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz – Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht – wegen der Übernahme eines Twitter-Beitrages auf Postkarten geltend machen will.

Der Antragsteller nimmt für sich in Anspruch, über den Mikrobloggingdienst Twitter unter dem Pseudonym „@t.“ am 25.10.2014 um 15:25 Uhr einen von ihm neu verfassten Text-Beitrag mit folgendem Inhalt veröffentlicht zu haben: „Wann genau ist aus „Sex, Drugs & Rock n Roll“ eigentlich „Laktoseintoleranz, Veganismus und & Helene Fischer“ geworden?“. Er wirft der Antragsgegnerin vor, diesen Twitter-Beitrag unter Verletzung seines Urheberrechts auf von ihr hergestellten Postkarten zu verwenden und zu vermarkten. Er ist der Ansicht, bei dem Text-Beitrag handele sich um ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschütztes Sprachwerk, das die notwendige Gestaltungshöhe aufweise.

Die Antragsgegnerin tritt den geltend gemachten Ansprüchen entgegen. Sie bestreitet, dass der Antragsteller Urheber des streitgegenständlichen Textes sei, bei dem es sich nicht um eine Neuschöpfung im Sinne des Urheberrechts handele. Der Spruch sei schon früher häufig in sehr ähnlicher Form verwendet worden. Außerdem ist sie der Ansicht, dass der streitgegenständliche Text nicht die erforderliche Schöpfungshöhe aufweise. Außerdem müssten solche einfachen Redewendungen der Alltagssprache für den allgemeinen Sprachgebrauch freigehalten werden.

II.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1  ZPO). Dem Antragsteller stehen nach dem Sach- und Streitstand die geltend gemachten Ansprüche aufgrund einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung durch die Antragsgegnerin nicht zu. Es fehlt bereits an einem rechtswidrigen Eingriff in ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller – wie von ihm behauptet –  der erstmalige Verfasser des in Rede stehenden Texts („Wann genau ist aus „Sex, Drugs & Rock n Roll“ eigentlich „Laktoseintoleranz, Veganismus & Helene Fischer“ geworden?“) ist oder die Aussage – wie von der Antragsgegnerin behauptet – bereits früher zumindest in ganz ähnlicher Form verwendet worden ist. Denn bei dem Tweet handelt es sich schon nicht um ein geschütztes Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG.

Sprachwerke sind alle persönlichen geistigen Schöpfungen, deren Inhalt durch eine Sprache als Ausdrucksmittel geäußert wird (Bullinger in: Wandtke/Bullinger, UrhG § 2 Rn. 45, beck-online). Damit das Schriftwerk urheberrechtlichen Schutz genießt, bedarf es grundsätzlich einer gewissen Schöpfungshöhe, die bei unterschiedlichen Werkarten unterschiedlich hoch angesetzt wird (Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl. 2013, § 2 Geschützte Werke, Rn. 59). Nach dem Dafürhalten der Kammer erreicht der streitgegenständliche Kurztext insoweit nicht die notwendige Schöpfungshöhe, um dem Urheberrecht zu unterfallen.

Zwar setzt ein urheberrechtlich geschütztes Werk grundsätzlich keinen Mindestumfang voraus. Die Kürze einer Äußerung kann jedoch als Indiz gegen den Urheberrechtsschutz sprechen. Kurze Äußerungen bieten häufig nicht genug Gestaltungsspielraum, um die notwendige Schöpfungshöhe für den Urheberrechtsschutz zu erreichen (Bullinger in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., UrhG § 2 Rn. 28, beck-online). So vergleicht der Antragsteller seine Leistung als Verfasser des streitgegenständlichen und von vergleichbaren prägnanten Tweets mit derjenigen eines Werbetexters. In der Regel genießen kurze Werbeslogans aber gerade keinen Urheberrechtsschutz (vgl. Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, a.a.O., § 2 Geschützte Werke, Rn. 206). Bei Werbetexten ist die sog. „kleine Münze“ nämlich nicht geschützt, sondern es ist ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung erforderlich, damit eine persönliche geistige Schöpfung des Urhebers im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG angenommen werden kann. Je länger ein Text ist, desto größer sind die Gestaltungsmöglichkeiten, so dass umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung erkannt werden kann. Dagegen führt die Werbewirksamkeit und Schlagkraft einer Werbeaussage für sich genommen nicht zum Urheberrechtsschutz (Bullinger in: Wandtke/Bullinger, UrhG § 2 Rn. 53, beck-online).

Ähnlich wie bei Werbeaussagen sind bei der von dem Antragsteller gewählten Ausdrucksform als Tweet strenge Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz zu stellen. Der kurze Text, der aus einem einzelnen Satz besteht, bedient sich der Alltagssprache. Der notwendige Grad der Gestaltungshöhe wird durch die bloße Anordnung, Verknüpfung und Gegenüberstellung des allgemein bekannten und seit Jahrzehnten verwendeten Begriffs „Sex, Drugs an Rock n Roll“ mit schlagwortartigen Begriffen aus dem alltäglichen und aktuellen Sprachgebrauch nicht erreicht. Der damit verbundene Sprachwitz genügt nicht, um die notwendige Gestaltungshöhe und einen Urheberrechtsschutz als Sprachwerk zu begründen. Vielmehr entspricht der „Tweet“, der in dem sozialen Medium Twitter abgesetzt worden ist, einem urheberrechtlich nicht schutzfähigen bloßen Slogan.