LG Bielefeld, Urteil vom 03.07.2018, Az. 20 S 62/17
§ 97 UrhG, § 77 Abs. 2 S. 1 UrhG, § 17 Abs. 1 UrhG, § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG aF; § 683 BGB, § 670 BGB
Eine Zusammenfassung der Entscheidung des LG Bielefeld finden Sie hier (LG Bielefeld – Verletzende Verbreitungshandlung), den Volltext nachstehend:
Wird Ihnen die Verbreitung unlizenzierter Werke vorgeworfen?
Haben Sie deshalb eine Abmahnung erhalten oder werden Sie bereits gerichtlich in Anspruch genommen? Rufen Sie uns gleich an: 04321 / 390 550 oder 040 / 35716-904. Schicken Sie uns Ihre Unterlagen gern per E-Mail (info@damm-legal.de) oder per Fax (Kontakt). Die Prüfung der Unterlagen und unsere Ersteinschätzung ist für Sie kostenlos. Unsere Fachanwälte sind mit dem Urheberrecht (Gegnerliste) bestens vertraut und helfen Ihnen umgehend dabei, eine Lösung zu finden.
Landgericht Bielefeld
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.10.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld – Az. 42 C 559/15 – abgeändert.*
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 265,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 59 % und der Beklagte 41 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist.
Sie ist indes nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1.
Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Anwaltskosten für die streitgegenständliche Abmahnung in Höhe von 265,70 € aus §§ 97a I 2 UrhG (in der Fassung vom 01.09.2008 bis zum 08.10.2013) und §§ 683, 670 BGB jeweils in Verbindung mit § 398 BGB.
Mit dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 28.06.2013 liegt eine berechtigte Abmahnung wegen eines Urheberrechtsverstoßes vor.
Der Beklagte hat zumindest fahrlässig ein Urheberrecht oder ein anderes nach dem UrhG geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, § 97 Abs. 1 UrhG, indem er die DVD „P. – L.“ der Musikgruppe P. über eBay zum Kauf angeboten hat; der Zedentin, der P. Music Ltd, stand ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu.
a)
Grundsätzlich haben die Künstler der Musikgruppe P. gemäß § 77 UrhG das Recht, Bild- oder Tonträger, auf denen ihre Darbietungen aufgenommen werden, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Rechteinhaberin ist allerdings hier aufgrund eines entsprechenden Übertragungsvertrages die P. Music Ltd., Großbritannien.
Dieses auf die Ltd. übertragene Verbreitungsrecht ist durch den Beklagten mit dem bloßen Angebot der nicht lizensierten DVD jedenfalls am 27.06.2013 auf der Internetplattform eBay verletzt worden, §§ 97, 77 Abs. 2 S. 1, 17 Abs. 1 UrhG. Denn das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu verbreiten, umfasst das Recht, diesen Bild- oder Tonträger der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und gegenüber der Öffentlichkeit gezielt für den Erwerb dieses Bild- oder Tonträgers zu werben. Das Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform, durch das zum Erwerb von Vervielfältigungsstücken des Bildtonträgers aufgefordert wird, verletzt das ausschließliche Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers, BGH, Urteil vom 05.11.2015, I ZR 88/13, juris Rn. 14.
So liegt der Fall auch hier. Der Umstand, dass hier keine DVD in der Hülle bei dem Beklagten war, wovon die Kammer ausgeht, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
aa)
Das Amtsgericht hat nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass tatsächlich keine DVD in der bei dem Beklagten befindlichen Hülle war. Diese Ausführungen macht sich die Kammer zu Eigen. Bereits im vorgerichtlichen Schreiben vom 03.07.2013 hat der Beklagte unmittelbar nach Erhalt der Abmahnung über seinen Anwalt geäußert, das Angebot durch ihn sei beendet worden, als er das Fehlen der DVD in der Hülle bemerkt habe. Dieses wird belegt durch die vorgelegte Bestätigung von eBay vom 27.06.2013, 21:49 Uhr, der Artikel sei leider nicht verkauft worden und könne jetzt wieder eingestellt werden.
bb)
Bereits mit dem Verkaufsangebot an sich hat der Beklagte die der Zedentin zustehenden Rechte aus §§ 17 Abs. 1, 77 Abs. 2 S. 1 UrhG verletzt.
Denn das Anbieten i.S. von § 17 Abs. 1 UrhG ist im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen und fällt nicht mit dem juristischen Begriff eines Vertragsangebots zusammen. Auch Werbemaßnahmen, bei denen zum Erwerb der beworbenen Vervielfältigungsstücke eines Werks aufgefordert wird, stellen ein Angebot an die Öffentlichkeit i.S. von § 17 Abs. 1 UrhG dar, ganz h.M., vgl. nur BGH, Urteil vom 15.02.2007, I ZR 114/04, GRUR 2007, 871 – juris Rn. 27 m.w.N.
Das Anbieten ist eine gegenüber dem Inverkehrbringen eigenständige Verbreitungshandlung. Die Tatbestandsalternativen des § 17 Abs. 1 UrhG stehen schon nach ihrem Wortlaut selbstständig nebeneinander. Grund hierfür ist, dass das Ausschließlichkeitsrecht auch im Vorfeld der anderen Verletzungshandlungen greifen soll (zu § 9 PatG BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte). Das Verbot des Anbietens soll der bereits im Angebot selbst liegenden Gefährdung der wirtschaftlichen Chancen des Rechtsinhabers entgegentreten (vgl. Schricker, EWiR 2005, 187, 188). Für das Verbreiten in Form des Anbietens kommt es daher auch nicht darauf an, ob das Anbieten Erfolg hat oder erfolglos bleibt, BGH, a.a.O., Rn. 29 und BGH, Urteil vom 13.12.1990, I ZR 21/89, juris Rn. 18.
Daher ist es auch unerheblich, ob der Anbietende das Werk – bereits – in Besitz hat; es reicht aus, den Eindruck zu vermitteln, eine nicht lizensierte DVD anzubieten.
Mit der Auffassung der Klägerin ist insoweit auf den Empfängerhorizont abzustellen.
Da aufgrund der heute gegebenen technischen Vervielfältigungsmöglichkeiten, die ein schnelles und problemloses Herstellen von Kopien erlauben, schon in der Regel das Anbieten zur alsbaldigen Herstellung und Lieferung genügt, vgl. nur BGH, Urteil vom 13.12.1990, I ZR 21/89, juris Rn. 20 m.w.N., ist es auch im vorliegenden Fall unerheblich, ob in der Hülle eine DVD war oder ob der Beklagte überhaupt im Besitz einer DVD war.
Die Kammer schließt sich insoweit der aufgezeigten Rechtsprechung des BGH und der einschlägigen Kommentarliteratur an.
cc)
Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht dadurch hinfällig geworden, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Abmahnung – 28.06.2013 – sein Angebot bereits beendet hatte. Denn es ist nichts dahin vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Wiederholungsgefahr i.S.d. § 97 Abs. 1 UrhG ausgeräumt worden wäre.
dd)
Mangels Zustimmung der Rechteinhaberin ist das Anbieten des Werkes auch rechtswidrig erfolgt. Es ist jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig, dass die Rechteinhaberin die Verbreitung von bootlegs nicht mehr duldete.
Das Verschulden des Beklagten wird vermutet.
b)
Es besteht auch eine wirksame Vollmacht der Klägerin für die Abmahnung im Namen der P. Music Ltd. Diese wurde durch Frau L. N. erteilt, Bl, 30 d.A.
Hier ist jedenfalls mit Schriftsatz vom 02.05.2017, Bl. 66 ff. d.A., die Anlage K9, Bl. 77 d.A., zur Akte gereicht worden, aus der sich ergibt, dass Frau L. N. bereits unter dem 24.07.2012 seitens der Ltd. bevollmächtigt wurde, Vollmachten an Rechtsanwälte zu erteilen im Zusammenhang mit der Verletzung von Urheberrechten.
Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung des BGH so, dass § 174 S. 1 BGB jedenfalls nicht auf die mit einer Unterwerfungserklärung verbundene Abmahnung anzuwenden ist, BGH, Urteil vom 19.05.2010, I ZR 140/08, juris, Rn. 15.
Danach ist § 174 S. 1 BGB (i.V.m. § 180 BGB) nach dem ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist, vorliegend nicht einschlägig.
Auch hier ist mit der Abmahnung das Angebot, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, übersandt worden, so dass die vorliegende Fallgestaltung derjenigen entspricht, die in der benannten BGH-Entscheidung zu Grunde gelegt wurde.
c)
Die Kammer erachtet unter Zugrundelegung der bisherigen Kammerrechtsprechung und Berücksichtigung diverser Instanzentscheidungen, vgl. nur OLG Celle, Beschluss vom 11.06.2014, 13 W 40/14, LG Flensburg, Beschluss vom 17.03.2015, 8 O 29/15, OLG Schleswig, Beschluss vom 20.01.2015, 6 W 36/14, LG Hamburg, Beschluss vom 13.04.2012, 308 O 125/1, LG Hamburg, Urteil vom 06.12.2013, 308 S 24/13 und LG Hamburg, Beschluss vom 07.04.2015, 308 O 135/15, hier einen Gegenstandswert für den der Klägerin zustehenden Gebührenanspruch in Höhe von 3.000,00 € als angemessen. Dieser Betrag wird dem Wert des geltend gemachten Unterlassungsanspruches bezüglich der angebotenen Veräußerung eines Bootleg mit 11 nicht annähernd aktuellen Aufnahmen der Gruppe P. auf einer DVD über eBay gerecht.
In einem Verfahren betreffend einen Unterlassungsanspruch wegen einer Urheberrechtsverletzung sind bei der Wertfestsetzung Art und Umfang der Verletzung des geschützten Rechts sowie das wirtschaftliche Interesse des Urheberrechtsinhabers zu berücksichtigen. Ausgangspunkt für die Wertfestsetzung ist mithin gemäß § 3 ZPO freies Ermessen. Dieses hat sich hier an folgenden Gesichtspunkten zu orientieren:
Zunächst ist der beabsichtigte Verkauf des illegalen Mitschnitts der Live-Aufnahmen, jedenfalls die nicht lizensierte Veröffentlichung auf der zum Kauf angebotenen DVD, anders zu bewerten, als das Anbieten von Musiktiteln über Filesharing-Programme. Im Gegensatz zur Verbreitung von Musiktiteln über Tauschbörsen, einer unübersehbaren Anzahl von Rechtsverletzungen, liegt hier nur ein Verkaufsversuch vor. Insofern ist nur eine einmalige, wirtschaftlich für die Rechteinhaberhin eher geringfügige Verletzung ihres Urheberrechts im Rahmen eines Privatverkaufs gegeben.
Allerdings handelt es sich bei P. um eine, wie allgemein bekannt ist, weltweit immens erfolgreiche Gruppe, auch wenn die hier maßgeblichen Hits nun schon vor längerer Zeit veröffentlicht wurden.
Streitgegenständlich ist eine gebrauchte DVD mit 11 Tracks.
Weiterhin sind mangels gegenteiliger Anhaltspunkte wohl keine zukünftigen Rechtsverletzungen durch den Beklagten, der als Privatperson handelte, zu befürchten.
Unbestritten hat die Zedentin den Verkauf von Bootlegs offensichtlich auch jahrelang geduldet. So hat der Beklagte hierzu unbestritten ausgeführt, dass die streitgegenständliche DVD aus dem Jahr 2005 zum Herstellungszeitpunkt noch legal erwerbbar gewesen sei.
Es ist zudem nicht feststellbar, dass tatsächlich eine DVD in Verkehr gebracht worden wäre bzw. überhaupt hier vorhanden war; hier ist nur ein Angebot feststellbar.
Auch unter Berücksichtigung eines gewissen Sammlerwertes dürfte jedenfalls ein eher nicht so großes wirtschaftliches Interesse der Rechteinhaberin an der Unterbindung des streitgegenständlichen Angebotes gegeben sein.
Eine 1,3 Geschäftsgebühr (1,3 x 189,00 € // alte Gebührentabelle; Anlage der RVG geändert mit Wirkung zum 01.08.2013) zuzüglich 20,00 € für Auslagen ergeben den Betrag in Höhe von 265,70 €.
d)
Nach Abtretung des etwaigen Erstattungsanspruches der P. Music Ltd. für die aufgrund der Abmahnung vom 28.06.2013 entstandene anwaltliche Gebührenforderung kann die Klägerin diese nun vom Beklagten verlangen, § 398 BGB.
2.
Die Klägerin kann Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe gemäß §§ 288, 291 BGB ab dem 09.03.2017 beanspruchen. Rechtshängigkeit war hier ab dem auf die Zustellung der Anspruchsbegründung am 08.03.2017 folgenden Tag gegeben.
In Ermangelung einer alsbaldigen Abgabe nach Zustellung des Mahnbescheides am 20.12.2016, die nach Eingang des Widerspruches am 21.12.2016 und Nachricht hierüber an Klägerin am selben Tag erst am 17.02.2017 erfolgte, lagen die Voraussetzungen des § 696 Abs. 3 ZPO nicht vor.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen.
Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor. Die streitentscheidenden Fragen sind, wie aus der in der Begründung in Bezug genommenen Rechtsprechung insbesondere des BGH ergibt, obergerichtlich geklärt.
*Am 23.07.2018 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
Der Tenor des Urteils der 20. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 03.07.201803.07.2018 wird gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass der erste Absatz wie folgt lautet:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.09.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld – Az. 42 C 30/17 – abgeändert.
Nachinstanz:
BGH, V ZR 47/18