AG Nürnberg: Museum hat kein monopolartiges Recht, seine Werke zu fotografieren und diese Fotos gewerblich zu nutzen

veröffentlicht am 7. Dezember 2015

AG Nürnberg, Urteil vom 28.10.2015, Az. 32 C 4607/15
§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, § 97 Abs. 1 UrhG, § 97 Abs. 2 UrhG, § 97a Abs. 3 UrhG

Eine Zusammenfassung dieser Entscheidung finden Sie auf unserer Hauptseite www.damm-legal.de (hier), den Volltext der Nürnberger Entscheidung dagegen im Folgenden:

Amtsgericht Nürnberg

End-Urteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf unter 500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.
Die Klage ist zulässig. Insoweit bestehen die von der Beklagtenseite geltend gemachten Bedenken bezüglich des Klageantrages hinsichtlich des Schadensersatzes nicht, da der Lizenzanalogie-Schadensersatz gemäß § 97 UrhG der richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO unterliegt. Insoweit ist auch ein unbestimmter Klageantrag entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.

Nachdem die Klagepartei klargestellt hat, dass nicht der Eigenbetrieb sondern vielmehr die Stadt Mannheim selbst Klagepartei ist, bestehen auch insoweit keine Bedenken gegen die Parteifähigkeit, nachdem die Klägerin selbst einräumte, dass ein Eigenbetrieb mangels eigener Rechtspersönlichkeit insbesondere nicht parteifähig sein kann.

II.
Die Klage ist aber unbegründet.

Ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Erstattung der Ermittlungskosten bzw. der Abmahnkosten gemäß §§ 97 Abs. 1, Abs. 2,97 a Abs. 3 UrhG besteht im Ergebnis nicht, da kein urheberrechtlich schützenswerter Gegenstand vorliegt.

1.
Ein Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG liegt nicht vor. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine sogenannte Reproduktionsfotografie eines gemeinfreien Werkes, nämlich eines Gemäldes im Bestand der Klägerin. Die Reproduktionsfotografie zeichnet sich insbesondere nicht durch eine geistig schöpferische oder persönliche Leistung des Fotografen aus. Vielmehr wird das Gemälde lediglich in einer handwerklichen bzw. professionellen Weise abgebildet.

2.
Im Ergebnis besteht auch kein Lichtbildschutz gemäß § 72 UrhG. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es sich grundsätzlich bei dem streitgegenständlichen Lichtbild um ein Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG handelt (Fromm/Nordeman, 11. Auflage, § 72, Randziffer 10).

Im konkreten Einzelfall ist aber aufgrund einer teleologischen Reduktion der Schutzgegenstand zu verneinen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, in deren Besitz sich das hier abfotografierte Gemälde befindet, das alleinige Entscheidungsrecht darüber hat, wer dieses Gemälde ablichtet bzw. fotografiert. Insoweit ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Anlagen, namentlich den Entscheidungen des Landgerichts Berlin bzw. Amtsgerichts Charlottenburg, dass die Klägerin grundsätzlich die Anfertigung von Fotografien innerhalb ihrer Museen untersagt. Soweit ein Kunstinteressent Ablichtungen eines Gemäldes aus dem Bestand der Klägerin verwenden möchte, ist er zwangsläufig auf die eigens von der Klägerin bzw. deren Fotografen gefertigten Lichtbilder angewiesen und insoweit verpflichtet, die Nutzung dieser Lichtbilder entsprechend der Honorartabelle der Klägerin im Wege der Lizenzierung zu vergüten. Obwohl es sich bei dem abfotografierten Gemälde um ein gemeinfreies Werk handelt, ist es dabei letztlich dem betrachtenden Publikum nicht möglich, trotz der Wertungen der Gemeinfreiheit das genannte Gemälde im Wege von Fotografien zu nutzen bzw. zu eigenen Zwecken unentgeltlich wiederzugeben. Im Endeffekt werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren umgangen. Indem die Klägerin durch eigene Fotografen eigene Lichtbilder fertigen lässt, begründet sie letztlich ein neues Schutzrecht mit einer Schutzdauer von weiteren bzw. neuen 50 Jahren gemäß § 72 Abs. 3 UrhG. Zur Überzeugung des Gerichts werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen.

Zur Lösung des sich insoweit stellenden Problems schließt sich das Gericht der Auffassung an, dass für diese Fälle eine teleologischen Reduktion des § 72 Abs. 1 UrhG vorzunehmen ist (Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage 2014, § 72, Randnummer 11 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist insbesondere auszuführen, dass selbst der BGH in seiner Entscheidung Bibelreproduktion (Urteil vom 08.11.1989, Az: I ZR 14/88, zitiert nach Juris) die grundsätzliche Problematik erkannte. In der genannten Entscheidung ging es allerdings lediglich um die rein technische Reproduktion zweidimensionaler Werke. Insoweit geht auch die ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die rein technische Reproduktion im Wege rein technischer Abläufe für zweidimensionale Vorlagen keinen Lichtbildschutz im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG erfährt. Zur Überzeugung des Gerichts ist jedenfalls im konkreten Fall diese Auffassung auszudehnen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist dabei die aufgezeigte Einschränkung der Fotografierbarkeit bzw. Ablichtbarkeit durch die Klägerin, die ihren Nutzern grundsätzlich die eigenständige Vervielfältigung der gemeinfreien Gemälde nicht gestattet sondern sie insoweit auf die vorhandenen Fotografien und die vergütungspflichtige Lizenzierung verweist.

Die Kostenentscheidung folgte aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 711, 713 ZPO.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur (hier).