OLG München, Urteil vom 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15
§ 97 Abs.1, Abs. 2 UrhG, § 97a Abs. 2 UrhG, Art. 6 Abs. 1 GG, § 952 BGB, § 985 BGB
Den Volltext der Entscheidung haben wir im Folgenden wiedergegeben; die Zusammenfassung finden Sie hier.
Oberlandesgericht München
Urteil
…
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 1. Juli 2015 in seiner Ziffer III. dahin abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug gegeneinander aufgehoben werden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV.
Die Revision wird im Umfang der Berufungszurückweisung zugelassen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einer unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des Musikalbums Loud der Künstlerin Rihanna über eine Internettauschbörse.
Die Klägerin ist Tonträgerherstellerin. Ihr stehen die ausschließlichen Verwertungsrechte an den auf dem Musikalbum Loud enthaltenen elf Musiktiteln der Künstlerin Rihanna zu. Dieses am 12. November 2010 veröffentlichte Album war acht Wochen lang unter den Top Ten der Charts – bis hin zu Rang zwei – gelistet. Der auf dem Album enthaltene und als Single-Auskopplung veröffentlichte Titel Only Girl (In The World) hielt sich zwölf Wochen unter den Top Ten der Single-Charts und war unter anderem für den GRAMMY-Award nominiert. In der ersten Kalenderwoche 2011 befand sich das Album auf Rang sechs der Longplay-Charts.
Am 2. Januar 2011 um 23:16 Uhr wurde das Album mit den elf Titeln über einen Internetanschluss, dessen Inhaber die beklagten Eheleute sind, mittels einer Filesharing-Software ohne Zustimmung der Klägerin zum Herunterladen angeboten.
Die Klägerin ließ die Beklagten deshalb mit Anwaltsschreiben abmahnen (vgl. Anl. K 3). Die Beklagten antworteten darauf mit einem per Telefax übermittelten Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters, dem eine ebenfalls per Telefax übermittelte schriftliche Erklärung der Beklagten beigefügt war, mit der sie sich verpflichteten, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire der Klägerin ohne Einwilligung im Internet Dritten verfügbar zu machen oder sonst wie auszuwerten (vgl. Anl. K 4). In der Folge forderte die Klägerin die Beklagten auf, ihr das Original der Unterlassungserklärung herauszugeben.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagten hätten die Verletzungshandlung vorgenommen. Sie vertritt die Auffassung, sich insoweit auf eine tatsächliche Vermutung stützen zu können; das Vorbringen der Beklagten, sie hätten drei Kinder und diese hätten Zugang zu dem Internetanschluss gehabt, werde bestritten.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin anfangs neben Ansprüchen auf Schadensersatz nach der Lizenzanalogie und Ersatz ihrer Abmahnkosten einen Anspruch auf Herausgabe der als strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung überschriebenen Urkunde im Original an sie geltend gemacht. Nachdem die Beklagten das Original der Urkunde mit der Klageerwiderung über das Gericht der Klägerin zugeleitet hatten, haben die Parteien den Rechtstreit insoweit jeweils unter Verwahrung gegen die Kosten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie
a) einen angemessenen Wertersatz in Höhe von mindestens 2.500,- €,
b) 1.379,80 € Kostenersatz
jeweils nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen, sie selbst hätten zur fraglichen Zeit einen gemeinsamen Rechner besessen, der normalerweise im Wohnzimmer gestanden habe. Sie hätten mit ihren drei damals bereits volljährigen Kindern zusammen gewohnt, die jeweils eigene Rechner gehabt hätten. Sie hätten mit einem Router der Telekom einen drahtlosen Internetzugang betrieben, der WPA2-gesichert und mit einem individuellen Passwort versehen gewesen sei, das auch den Kindern bekannt gewesen sei. Am Tattag hätten sie von 16:00 Uhr bis etwa Mitternacht Gäste gehabt; ihr eigener Rechner im Wohnzimmer sei ausgeschaltet gewesen. Die Verletzungshandlung sei von einem ihrer Kinder vorgenommen worden; sie wüssten zwar, welches Kind für die Rechtsverletzung verantwortlich sei, wollten dies jedoch nicht mitteilen (vgl. S. 2 d. Prot. v. 3. Dezember 2014 = Bl. 95 d. A.).
Mit Urteil vom 1. Juli 2015 (BeckRS 2015, 12287), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht
I. die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.544,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. März 2014 zu bezahlen;
II. die Klage im Übrigen abgewiesen und
III. die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragen, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2015 Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat lediglich insoweit Erfolg, als diese sich dagegen wenden, dass ihnen die Kosten auch für den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits hinsichtlich der Urkundenherausgabe auferlegt worden sind.
I.
Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten dagegen, dass sie das Landgericht zu einer Schadensersatzleistung in Höhe von 2.500,- € nebst Zinsen verurteilt hat. Der Klägerin steht dieser Anspruch gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG zu.
1.
Die Klägerin ist hinsichtlich der streitbefangenen Musiktitel unstreitig Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte der öffentlichen Zugänglichmachung des Tonträgers (§ 85 Abs. 1 UrhG).
2.
Ebenfalls unstreitig ist, dass diese Musiktitel am 2. Januar 2011 um 23:16 Uhr über den Internetanschluss der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht wurden. Darin liegt eine Verletzung der genannten Nutzungsrechte.
3.
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass nach dem Sach- und Streitstand die Beklagten als Täter dieser Rechtsverletzung anzusehen sind.
a)
Die Beklagten haben das Vorbringen der Klägerin bestritten, sie seien die Täter der Rechtsverletzung. Auch wenn den Anschlussinhaber im Blick auf die Nutzung seines Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast trifft, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits ein einfaches Bestreiten durch den Anschlussinhaber, um die Behauptung seiner Täterschaft beweisbedürftig werden zu lassen.
b)
Nach dem Sach- und Streitstand ist im Streitfall von der Täterschaft der Beklagten auszugehen.
aa)
Für den Nachweis der Täterschaft in Filesharing-Fällen gelten folgende Grundsätze:
(1)
Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen eines geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erfüllt sind, trägt nach den allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsteller; danach ist es grundsätzlich seine Sache nachzuweisen, dass der in Anspruch Genommene für die von ihm behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Wenn allerdings ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers (vgl. BGH GRUR 2013, 511 – Morpheus Tz. 33; GRUR 2010, 633 – Sommer unseres Lebens Tz. 12). Halten mehrere Personen, etwa – wie im Streitfall – Eheleute, den Internetanschluss mit der betreffenden IP-Adresse gemeinsam, so gilt die Vermutung zulasten aller Anschlussmitinhaber (vgl. BGH, a. a. O., – Morpheus Tz. 33 a. E.).
Eine tatsächliche Vermutung begründet einen Anscheinsbeweis (vgl. BGH NJW 2012, 2435 Tz. 36; NJW 2010, 363 Tz. 15; NJW 1993, 3259; jeweils m. w. N.), zu dessen Erschütterung nicht allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines anderen Verlaufs genügt; es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs ergeben soll, die gegebenenfalls vom Beweisgegner zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden müssen (vgl. BGH NJW 2012, 2435 Tz. 36; Beschl. v. 6. Juli 2010 – XI ZR 224/09, juris, Tz. 10; NJW 1993, 3259; NJW 1991, 230 [231]; Greger in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, vor § 284 Rz. 29; Bacher in: Vorwerk/Wolf, Beckscher OnlineKommentar, ZPO, Stand 1. September 2015, § 284 Rz. 98; Foerste in: Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 286 Rz. 23; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 286 Rz. 13; Rinken in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 286 Rz. 60; Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 286 Rz. 65).
(2)
Voraussetzung für das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ist allerdings nicht nur das Vorliegen einer Verletzungshandlung, die von diesem Internetanschluss ausging, sondern – im Falle der hinreichenden Sicherung des Anschlusses – auch, dass der Anschluss nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2015 – I ZR 75/14, juris, – Tauschbörse III Tz. 37; ähnlich BGH GRUR 2014, 657 – BearShare Tz. 15; unklar BGH, a. a. O., – Morpheus Tz. 34, wo ausgeführt wird, dass die tatsächliche Vermutung in jenem Fall „entkräftet“ und „erschüttert“ sei, weil die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt habe).
Will sich der Anspruchsteller auf die tatsächliche Vermutung stützen, so obliegt es grundsätzlich ihm, deren Voraussetzungen darzulegen und nötigenfalls zu beweisen. Jedoch trifft in diesen Fällen den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast, der er nur genügt, wenn er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen; in diesem Umfang ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Anschlussinhabers lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht (vgl. BGH, a. a. O., – Tauschbörse III Tz. 37 und 42).
Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, a. a. O., – Tauschbörse III Tz. 37 a. E.); dazu muss er entweder beweisen, dass entgegen dem substantiierten Vorbringen des Anschlussinhabers doch kein Dritter Zugriff auf den Anschluss hatte, und sich anschließend auf die dann geltende tatsächliche Vermutung berufen, oder er muss unmittelbar – ohne Inanspruchnahme der tatsächlichen Vermutung – die Täterschaft des Anschlussinhabers beweisen. Entspricht der Anschlussinhaber dagegen seiner sekundären Darlegungslast nicht, so ist zugunsten des Anspruchstellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen (vgl. BGH NJW 2010, 2506 Tz. 26 m. w. N.), das die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers begründet. Dann muss zu deren Widerlegung der Anschlussinhaber den Beweis führen, dass auch andere als Täter in Betracht kommen.
(3)
Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung stehen daher nicht einander ausschließend nebeneinander, sondern greifen wie folgt ineinander: Die sekundäre Darlegungslast betrifft die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, der Anschlussinhaber sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen.
bb)
Nach diesen Grundsätzen ist das Landgericht zu Recht von der Täterschaft der Beklagten ausgegangen.
(1)
Die Klägerin hat schon bestritten, dass die Beklagten Kinder hätten, insbesondere aber auch, dass die Behauptung der Beklagten zutreffe, die Kinder hätten Zugriff auf den Internetanschluss nehmen können. Damit hat sie vorgetragen, allein die Beklagten hätten auf den Internetanschluss zugreifen können.
Dieser Behauptung sind die Beklagten zwar entgegengetreten, haben dabei aber die Anforderungen der sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nicht erfüllt. Ihnen oblag es nach den oben dargestellten Maßstäben mitzuteilen, welche Kenntnisse sie über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hatten, nach ihrem eigenen Vorbringen also, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen hatte. Sie haben sich indes geweigert, diese Kenntnis mitzuteilen. Damit berufen sie sich lediglich pauschal auf eine bloß generell bestehende Zugriffsmöglichkeit ihrer drei Kinder auf den Internetanschluss ohne konkrete Angaben zur Verletzungshandlung und genügen ihrer Darlegungslast nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Grundrechtsverbürgung des Art. 6 Abs. 1 GG, nach der Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen, dieser zivilprozessualen Obliegenheit nicht entgegen. Denn Art. 6 Abs. 1 GG gewährt keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beeinträchtigung familiärer Belange; vielmehr sind auch die gegenläufigen Belange der Klägerin, deren Ansprüche ihrerseits den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG genießen, zu berücksichtigen. Diesen kommt im Streitfall ein Gewicht zu, das es rechtfertigt, dass sich die Beklagten im Einzelnen dazu erklären müssen, wie es zu den – unstreitig über ihren Internetanschluss erfolgten – Rechtsverletzungen aus der Familie heraus gekommen sei; andernfalls könnten die Inhaber urheberrechtlich geschützter Nutzungsrechte bei Rechtsverletzungen vermittels von Familien genutzter Internetanschlüsse ihre Ansprüche regelmäßig nicht durchsetzen.
Da die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast zum Zugriff Dritter auf ihren Internetanschluss nicht nachgekommen sind, ist von der tatsächlichen Vermutung ausgehen, dass die Beklagten als Inhaber des Anschlusses die Täter der Rechtsverletzung sind.
(2)
Diese tatsächliche Vermutung haben die Beklagten nicht erschüttert. Sie haben sich zwar darauf berufen, dass auch ihre Kinder zum Zeitpunkt der rechtsverletzenden Handlung am 2. Januar 2011 um 23:16 Uhr Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätten, und diese zum Beweis dafür benannt. Sie sind jedoch beweisfällig geworden, weil sich die als Zeugen benannten Kinder auf ihr ihnen jeweils gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben.
(3)
Das Landgericht war nicht gehalten, die von den Beklagten zum Beweis ihres der Vermutung entgegenstehenden Vorbringens, nicht die Täter der Rechtsverletzung zu sein, angebotenen Zeugen zu vernehmen, die am Abend des Tattags bei ihnen zu Gast gewesen seien.
Das Landgericht hat festgestellt, dass das Hochladen eines Werks in einer Tauschbörse nicht voraussetze, dass der Handelnde zum Zeitpunkt des Hochladens persönlich anwesend bzw. aktiv tätig sei. Vielmehr könne im Rahmen einer Tauschbörse ein zu einem anderen Zeitpunkt in Gang gesetzter Vorgang selbstständig weiterlaufen; vorliegend hätten die Beklagten einen solchen Tauschbörsenvorgang vor dem vorgetragenen Besuch des befreundeten Ehepaars in Gang setzen können. Diese Feststellungen (vgl. zu gleichartigen Feststellungen auch BGH, Urt. v. 11. Juni 2016 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I Tz. 52) hat der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen, weil keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, welche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten könnten. Da mithin die Möglichkeit besteht, dass die Verletzungshandlung bereits vor dem Besuch durch die Zeugen eingeleitet worden war, ist das Vorbringen, zu dem die Zeugen von den Beklagten benannt worden sind, dass nämlich der Computer im Wohnzimmer während ihrer Anwesenheit nicht benutzt worden sei, nicht streiterheblich.
Im Übrigen weist das Landgericht zu Recht darauf hin, dass durch die Vernehmung der benannten Zeugen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beklagten die Rechtsverletzung nicht durch den im Wohnzimmer befindlichen Computer, sondern mit einem anderen Computer – auch nach dem Vorbringen der Beklagten gab es zumindest drei andere in deren Wohnung – bei einem kurzen Aufenthalt in einem anderen Zimmer begingen.
4.
Wie das Landgericht zutreffend – und mit der Berufung nicht gesondert angegriffen – festgestellt hat, haben die Beklagten schuldhaft gehandelt, da sich die Beteiligung an einer Internettauschbörse als zumindest fahrlässig darstellt (vgl. auch BGH, Urt. v. 11. Juni 2016 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I Tz. 53).
5.
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin ein nach der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG bemessener Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.500,- € zusteht.
Diese Bemessung wird von den Beklagten mit ihrer Berufung nicht gesondert angegriffen und lässt auch keine Rechtsfehler erkennen. Insbesondere verletzen weder die Schätzgrundlage des Landgerichts, dass grundsätzlich ein Betrag von 200,- € pro Musiktitel, bei elf Titeln also ein Gesamtbetrag von 2.200,- €, in Betracht komme (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 11. Juni 2015 – I ZR 19/14, juris, Tauschbörse I Tz. 54 ff.; Urt. v. 11. Juni 2015 – I ZR 7/14, juris, Tauschbörse II Tz. 39 ff.; a. a. O., – Tauschbörse III Tz. 49 ff.), noch die Annahme einer moderaten Erhöhung wegen des besonderen Erfolgs des streitbefangenen Musikalbums auf 2.500,- € das durch § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO eröffnete Ermessen.
II.
Der Klägerin steht auch der ihr vom Landgericht zugesprochene Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten zu.
1.
Zu Recht und von den Beklagten mit ihrer Berufung nicht angegriffen ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin für die Abmahnung Anwaltskosten in Höhe von mindestens 1.044,40 € erwachsen sind.
2.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr erwachsenen Anwaltskosten nicht durch § 97a Abs. 2 in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: § 97a Abs. 2 UrhG a. F.) auf 100 Euro begrenzt.
a)
Nach dieser Vorschrift war der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro beschränkt. Im Streitfall liegt weder ein einfach gelagerter Fall noch eine nur unerhebliche Rechtsverletzung vor.
aa)
Der Streitfall kann schon deshalb nicht als einfach gelagert angesehen werden, weil seine Beurteilung schwierige Fragen der Darlegungs- und Beweislast aufwirft, die weder im Zeitpunkt der Abmahnung noch auch nur im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abschließend geklärt sind.
bb)
Es liegt auch kein Fall einer nur unerheblichen Rechtsverletzung vor.
Massenhafte Rechtsverletzungen über Tauschbörsen beeinträchtigen die urheberrechtlich geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen des Rechtsinhabers auch dann ganz erheblich, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (vgl. BGH GRUR 2012, 1026 – Alles kann besser werden Tz. 23).
Wer eine Datei mit urheberrechtlich geschütztem Inhalt auf einer Internettauschbörse zum Herunterladen anbietet, handelt nicht rein altruistisch oder im guten Glauben. Er stellt sie einer nahezu unbegrenzten Vielzahl von Personen zur Verfügung. Er kann und will in dieser Situation nicht mehr kontrollieren, in welchem Umfang von seinem Angebot Gebrauch gemacht wird, und greift damit in die Rechte des Rechteinhabers in einem Ausmaß ein, das einer gewerblichen Nutzung entspricht. Er strebt auch zumindest mittelbar einen wirtschaftlichen Vorteil an, weil er eigene finanzielle Aufwendungen für den erwünschten Erwerb der von dem Tauschpartner kostenfrei bezogenen Werke erspart (vgl. Senat GRUR-RR 2012, 68 [69] – Die Friseuse). Auch das spricht gegen die Einordnung einer durch Filesharing über eine Tauschbörse begangenen Rechtsverletzung als unerheblich i. S. d. § 97a Abs. 2 UrhG a. F.
cc)
Aus der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums mag zwar hervorgehen, dass die Verfasser des Entwurfs der Ansicht waren, Filesharing-Fälle unterfielen regelmäßig dem Regelungsbereich des beabsichtigten § 97a UrhG, weil sie Kosten für die Ermittlung einer IP-Adresse, wie sie regelmäßig nur in Filesharing-Fällen entstehen, ausdrücklich von der Anwendung der Regelung in § 97a Abs. 2 des Entwurfs ausnehmen (vgl. BT-Drs. 16/5048, S. 49). Darauf kommt es für die Auslegung des § 97a Abs. 2 UrhG a. F. jedoch nicht entscheidend an; denn diese Ansicht hat im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (vgl. BGH, a. a. O., – Alles kann besser werden Tz. 27). Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der darin zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich. Nicht entscheidend ist demgegenüber die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann nicht durch Motive gebunden werden, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben (vgl. BGH, a. a. O., – Alles kann besser werden Tz. 30). Dass Filesharing-Fälle generell unter die Kappungsregelung des § 97a Abs. 2 UrhG a. F. fallen sollten, obwohl sie regelmäßig nicht unerheblich und oftmals nicht einfach gelagert sind, kann dem Gesetzeswortlaut nicht entnommen werden. Im Übrigen spricht auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags zu dem Gesetzentwurf (BT-Drs. 16/8783, S. 50) gegen eine derartige Annahme, denn Filesharing-Fälle sind den darin genannten Beispielsfällen (öffentliches Zugänglichmachen eines Stadtplanausschnitts der eigenen Wohnungsumgebung auf einer privaten Homepage ohne Ermächtigung des Rechtsinhabers; öffentliches Zugänglichmachen eines Liedtextes auf einer privaten Homepage, ohne vom Rechtsinhaber hierzu ermächtigt zu sein, oder Verwendung eines Lichtbildes in einem privaten Angebot einer Internetversteigerung ohne vorherigen Rechtserwerb vom Rechtsinhaber) nicht vergleichbar. Schließlich kommt auch der von den Beklagten angeführten Presseerklärung des Bundesgerichtshofs Nr. 101/2010 zur Entscheidung Sommer unseres Lebens kein Auslegungswert zu.
III.
Die Berufung hat allerdings insoweit Erfolg, als sich die Beklagten dagegen wenden, dass ihnen auch die Kosten hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits auferlegt worden sind.
1.
Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Dabei ist maßgebend, welcher Partei ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich die Kosten aufzuerlegen gewesen wären.
2.
Danach ist der auf das Herausgabeverlangen entfallende Kostenanteil der Klägerin aufzuerlegen, weil diese voraussichtlich unterlegen wäre.
a)
Der Klägerin stand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht aus § 985 BGB zu, weil sie nicht gemäß § 952 Abs. 1 Satz 1 BGB Eigentümerin der herausverlangten Urkunde war.
aa)
Nach dieser Vorschrift steht das Eigentum an dem über eine Forderung ausgestellten Schuldschein dem Gläubiger zu. Ist die Urkunde bereits vor der Entstehung der Forderung ausgestellt worden, so wird der Gläubiger erst mit der Entstehung der Forderung Eigentümer (vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 952 Rz. 4), insbesondere erst mit der Übergabe der Urkunde, wenn diese für die Forderungsentstehung erforderlich ist (vgl. Kindl in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand 1. August 2015, § 952 Rz. 7; Gursky in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 952 Rz. 10 a. E.).
bb)
Bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses hat die in der Unterlassungserklärung verbriefte Forderung noch nicht existiert, so dass die Klägerin nicht gemäß § 952 BGB Eigentümerin der Urkunde geworden sein konnte.
In der Unterwerfungserklärung liegt ein abstraktes Schuldversprechen i. S. d. § 780 BGB (vgl. BGH GRUR 1998, 953 [954] – Altunterwerfung III; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 12 UWG Rz. 1.103). Als solches unterliegt sie grundsätzlich dem sich aus § 780 BGB ergebenden Schriftformerfordernis, auch wenn dieses Erfordernis in den praktisch wichtigsten Anwendungsbereichen der Unterlassungserklärung, dem Lauterkeitsrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz, regelmäßig wegen der Sonderregelung für Handelsgeschäfte in § 350 HGB nicht besteht.
§ 780 Satz 1 BGB findet im Streitfall Anwendung, weil die Beklagten keine Kaufleute sind und die Abgabe eines Schuldversprechens für sie daher kein Handelsgeschäft (vgl. § 343 HGB) sein kann. Nach dieser Vorschrift ist für die Gültigkeit des ein Schuldversprechen enthaltenden Vertrags die schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Beklagten haben zwar die Urkunde mit der Verpflichtungserklärung unterzeichnet und mithin nach § 126 Abs. 1 BGB die Schriftform gewahrt. Es fehlt aber an einer formgerechten „Erteilung“ dieser Erklärung. Schriftlich erteilt ist das Schuldversprechen nicht bereits mit der Unterzeichnung des entsprechenden Schriftstücks; der Begriff des Erteilens verlangt vielmehr eine Entäußerung gegenüber dem Gläubiger, indem die schriftliche Erklärung diesem zur Verfügung gestellt wird (vgl. BGH NJW 1993, 1126; Sprau in: Palandt, a. a. O., § 780 Rz. 6). Die Übermittlung per Telefax, wie sie im Streitfall erfolgt ist, genügt dieser Anforderung nicht (vgl. BGH NJW 1993, 1126 [1127]; Gehrlein in: Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar BGB, a. a. O., § 780 Rz. 16; Habersack in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 780 Rz. 21).
Danach war die Klägerin bei Klageerhebung bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses der Herausgabe der Urkunde an sie nicht Gläubigerin der entsprechenden Forderung und deshalb auch nicht kraft der Regelung des § 952 BGB Eigentümerin der Urkunde. Eine andere Möglichkeit des Eigentumserwerbs ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich. diese konnte ihr Herausgabeverlangen daher nicht mit Erfolg auf § 985 BGB stützen.
b)
Die Klägerin konnte die Herausgabe der Urkunde auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund verlangen. Insbesondere begründete die Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte weder einen Anspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. Senat GRUR-RR 2005, 205 [206] – Reisegutschein) noch gar auf Herausgabe der entsprechenden Urkunde.
3.
Angesichts der Einzelstreitwerte und des Umstands, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Urkunde bereits vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht für erledigt erklärt worden ist, erachtet der Senat eine Kostenaufhebung gemäß § 92 Abs. ZPO als angemessen.
C.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zuzulassen. Die Rechtsfrage, durch welche Angaben ein Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nachkommen kann, hat über den Streitfall hinaus für eine Vielzahl von Filesharing-Fällen Bedeutung.