AG Düsseldorf, Urteil vom 09.06.2015, Az. 57 C 9732/14
§ 97 UrhG; § 287 ZPO
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Amtsgericht Düsseldorf
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts hinsichtlich der Verbreitung des Filmwerks „XXX“ auf DVD. Am 06.11.2009 um 18:33 Uhr erfolgte eine Verbreitung des oben genannten Filmwerkes über ein Filesharing-Netzwerk unter Verwendung der IP-Adresse ####, die zu diesem Zeitpunkt dem Internetanschluss den Beklagten zugeordnet war. Mit Schreiben vom 11.02.2010 mahnte die Klägerin die Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten ab. Dabei macht sie den Beklagten zum Vorwurf, sie hätten das Werk über ein Filesharing-Netzwerk verbreitet, ihre Berechtigung zur Abmahnung stützt sie darauf, Inhaberin ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte hinsichtlich des Filmwerks zu sein.
Die Klägerin behauptet,
die Verbreitung des Werkes sei durch die Beklagten erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an sie gesamtschuldnerisch einen Schadenersatz gemäß Lizenzanalogie, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt, jedenfalls mindestens 400 Euro, sowie Kosten der Abmahnung in Höhe von 555,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Klägerin stehen hier nur ausschließliche Nutzungsrechte hinsichtlich des Werkes auf DVD, nicht hingegen Internetrechte zu. Stehen der Klägerin nur ausschließliche Rechte am Werk auf physikalischen Datenträgern zu, so hat sie in Bezug auf eine unerlaubte Internetverbreitung ein negatives Verbietungsinteresse und damit einen Unterlassungsanspruch und einen Schadenersatzanspruch bezüglich des durch die unerlaubte andere Verbreitung entstandenen Schadens gemäß § 97 Abs. 2 UrhG (BGH GRUR 1999, 984). Indes erscheint es schon generell zweifelhaft, ob auch in einem solchen Fall hinsichtlich der Verbreitung des Werkes über das Internet der Schadenersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden kann, jedenfalls bieten die Angaben der Klägerin im Fall der Inhaberschaft von lediglich Teillizenzen aber keine ausreichende Grundlage, den nach Lizenzanalogie auszugleichenden Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen.
Die Anwendung der Grundsätze der Lizenzanalogie ist schon zweifelhaft, weil Zweck dieser Berechnungsmethode ist, den Schädiger nicht besser zu stellen als im Fall einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber, die Lizenzanalogie läuft also auf die Fiktion eines Lizenzvertrages hinaus (BGH GRUR 1990, 1008). Diese Fiktion läuft jedoch leer, wenn die Klägerseite mangels Inhaberschaft einer entsprechenden Lizenz selbst nicht zur Vergabe von Internetlizenzen berechtigt ist, weiter ist der Schadenersatz für den Fall einer auf dem Verhalten des Verletzers beruhenden Unzulässigkeit eines Lizenzvertrages für die konkrete Nutzung nach dem Inhalt eines zulässigen Lizenzvertrages zu bestimmen (BGH GRUR 1996, 275 (276)). Auf das Filesharing übertragen bedeutet dies, dass Erwägungen bezüglich einer allgemeinen Unzulässigkeit von Filesharing-Lizenzen den Schadenersatz nach Lizenzanalogie ebenso wenig berühren wie eine etwaig fehlende Berechtigung des Rechteinhabers, seine ihm gemäß §19a UrhG zustehenden Internet-Verbreitungsrechte weiter zu lizenzieren. Hingegen spricht einiges dafür, dass die Berechnung des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie nicht zulässig ist, wenn ein Lizenzvertrag über die Internetverbreitung eines Werkes daran scheitert, dass der Verletzte selbst keine Rechte für diese Vertriebsform inne hat. Jedoch soll diese Berechnungsart auch bei Inhaberschaft eines anderweitigen Nutzungsrechts dann in Betracht kommen, wenn die Verwertung des verletzten Rechts durch den Rechteinhaber von einer Zustimmung des anderweitig Nutzungsberechtigten abhängig ist, da diese Zustimmung dann üblicherweise von einer Lizenzzahlung abhängig gemacht würde (BGH GRUR 1987, 37 (39)). Eine ausdrückliche vertragliche Regelung hinsichtlich der Ausübung der beim Lizenzgeber verbliebenen übrigen Rechte findet sich nicht. Hieraus folgt, dass dieser in deren Ausübung grundsätzlich frei ist, insbesondere also selbst eine Internetverwertung betreiben dürfte, ohne hierfür Zahlungen an die Klägerin leisten zu müssen. Indes muss sich der Lizenzgeber so verhalten, dass der Vertragszweck des ausschließlichen Nutzungsrechts nicht treuwidrig gefährdet wird (Dreier/Schulze UrhG vor § 31 Rn. 44). Daher ist dem Lizenzgeber ein anderweitiges „Verramschen“ des Werkes unter faktischer Entwertung des ausschließlichen Nutzungsrechts nicht gestattet (OLG Hamm GRUR 1978, 436), insbesondere ist es hier dem Lizenzgeber zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin nicht gestattet, das Werk selbst ohne Einverständnis der Klägerin kostenlos über das Internet zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Aus diesem Grund nunmehr doch die Berechnung des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie zu ermöglichen, erscheint jedoch zumindest nicht zwingend, weil die Sachlage nicht vergleichbar ist, denn die Verbreitung des Werkes über ein Filesharing-Netzwerk beinhaltet – anders als die kostenlose Verbreitung durch den Rechteinhaber selbst – keine Erklärung dahingehend, dass das Werk wirtschaftlich wertlos ist (siehe hierzu ausführlicher AG Düsseldorf, BeckRS 2015, 06003).
Anderer Auffassung hinsichtlich der Anwendung der Grundsätze der Lizenzanalogie ist das Landgericht Düsseldorf, das unter Verweis auf BGH „Videolizenzvertrag“, GRUR 1987, 37ff. erläutert, die Berechnungsmethode könne auch im Fall einer fehlenden Kongruenz des unzulässig in Anspruch genommenen Rechts mit dem dem Rechteinhaber zustehenden Recht angewendet werden, die Lizenzgebühr müsse dann aber anteilig bemessen werden (LG Düsseldorf 12 S 21/14, BeckRS 2015, 09252). Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die Entscheidung BGH GRUR 1987, 37ff. nicht die Fallkonstellation betrifft, dass der Anspruchsteller nie Inhaber der Rechte war, die durch den Verletzer in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus sind ergänzend die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung BGH „Tintenpatrone“ GRUR 2008, 896 zu berücksichtigen. Unter Fortentwicklung von BGH NJW 2008, 373 begreift der BGH hier die unterschiedlichen Berechnungsmethoden des Schadenersatzes nicht als verschiedene Ansprüche mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, sondern als unterschiedliche Liquidationsformen eines einheitlichen Anspruchs (BGH aaO Rn. 38). Auch wenn dies so zu verstehen sein kann, dass die Berechnungsmethode der Lizenzanalogie bei jedem Bestehen eines Schadenersatzanspruches nach § 97 Abs. 2 UrhG zugänglich sein muss, so muss zugleich aber auch sichergestellt sein, dass der Verletzer nicht von den verschiedenen Inhabern von jeweiligen Teilnutzungsrechten am selben Werk insgesamt in einer Höhe in Anspruch genommen wird, die den Gesamtschaden übersteigt. Diese Möglichkeit besteht, weil jeder Inhaber separater Nutzungsrechte für sich klagen kann und insbesondere keine Mitgläubigerschaft mit der Folge besteht, dass nur an alle Rechteinhaber gemeinsam geleistet werden könnte (BGH aaO). Macht daher nur ein Rechteinhaber Forderungen geltend, so muss dieser darlegen, welcher Anteil des konkreten Gesamtschadens auf ihn entfällt, nur in dieser Höhe kann er sodann auch auf die Berechnungsweise des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie zugreifen (BGH aaO Rn 39). Wörtlich führt der BGH aus:
„Da der Verletzer nicht mehr als den vollen Schadensausgleich zu leisten hat, wird der Geschädigte in einem solchen Fall, auch wenn er Schadensausgleich nach der Lizenzanalogie oder Herausgabe des Verletzergewinns verlangt, zunächst darzulegen haben, welcher Anteil des (konkreten) Gesamtschadens auf ihn entfällt. In Höhe dieses Anteils kann er sodann auch auf die anderen Ausgleichsmethoden zurückgreifen.“
Das Abstellen auf einen Anteil am konkreten Gesamtschaden als Voraussetzung des Übergehens auf eine andere Ausgleichsmethode (wie etwa die Lizenzanalogie) legt eine Auslegung dieser Formulierung dahingehend nahe, dass vom Verletzten, auch wenn er nach Lizenzanalogie vorgehen will, zunächst eine den Anforderungen an eine konkrete Schadensberechnung genügende Aufstellung des Gesamtschadens vorzunehmen ist sowie der eigene Anteil hieran zu beziffern ist. An einer solchen Aufstellung der Klägerseite fehlt es. Selbst wenn man den BGH nur dahingehend versteht, dass der Verletzte zwar keine konkrete Schadensberechnung erbringen muss, sondern lediglich Tatsachen vorzutragen hat, die auf die Wertigkeit der verbleibenden Rechte hinsichtlich der übrigen Vertriebswege schließen lassen, so dass bestimmt werden kann, wie das Recht des Verletzten gegenüber den sonstigen bestehenden Rechten zu gewichten ist, mangelt es auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Klägerin vom 19.05.2015 weiter an ausreichendem Vortrag. Die Klägerin führt hier nur allgemein aus, warum die Berechnung nach Lizenzanalogie auch bei fehlender Kongruenz zwischen eigenem Recht und in Anspruch genommenem Recht zulässig sein muss; Ausführungen, die eine Schätzung der Wertigkeit des eigenen Nutzungsrechts im Verhältnis zu den übrigen Nutzungsrechten zulassen, fehlen aber trotz entsprechendem richterlichen Hinweis weiterhin. Diese sind jedoch um eine über den gesamten Schaden hinausgehende Inanspruchnahme des Verletzters auszuschließen, zwingend erforderlich. Insbesondere ist es mit den obigen Ausführungen des BGH nicht zu vereinbaren, den bei der Klägerin entstandenen Teilschaden nach Lizenzanalogie in freier Schätzung abzuschätzen, ohne über Tatsachen zu verfügen, die die Wertigkeit des der Klägerin zustehenden Teilrechts im Vergleich zu den übrigen einordnen können. Fehlt es am Vortrag solcher Tatsachen, mangelt es an ausreichenden Grundlagen, um den lizenzanalogen Schadenersatz gemäß § 287 ZPO schätzen zu können, so dass die Klage daher hinsichtlich des Schadenersatzanspruchs, der nur in Form der Lizenzanalogie begehrt wird, abzuweisen ist.
Auch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung aus §97a UrhG alter Fassung besteht nicht. Die Abmahnung entspricht bereits nicht den an eine ordnungsgemäße Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen. Im Abmahnschreiben wird nicht genannt, in welchem konkreten Filesharing-Netzwerk die Verbreitung erfolgt sein soll, sodass dem Empfänger die Möglichkeit genommen ist, den Verletzungsvorwurf konkret zu prüfen. Weiter wird lediglich pauschal auf Nutzungs- und Verwertungsrechte abgestellt, was widersprüchlich ist, weil erstere einem Dritten, dem sie eingeräumt sind, und letztere dem Urheber selbst zustehen. Hierdurch wird dem Empfänger die Möglichkeit genommen zu prüfen, ob der Abmahnende zu seinem Handeln berechtigt ist. Aus diesem Grund kann Kostenersatz auch unter Geltung von § 97a UrhG a. F. nicht verlangt werden kann (LG Düsseldorf 12 S 21/14, BeckRS 2015, 09252 in näherer Konkretisierung von OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 20402; AG Düsseldorf BeckRS 2015, 08980).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11 ZPO.
Der Streitwert wird auf 955,00 EUR festgesetzt.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.